Editorischer Kommentar

Humboldt verfasste wohl im Januar 1826 für den Verlag Gide fils einen Prospectus, in dem er das Erscheinen des Werkes Géographie des plantes rédigée d’après la comparaison des phénomènes que présente la végétation dans les deux continens ankündigte (vgl. das Dokument https://edition-humboldt.de/H0016426 in der edition humboldt digital sowie Humboldt an Moritz Rugendas, Paris, 1. Februar 1826, https://edition-humboldt.de/H0017855 in der vorliegenden Edition). Am 18. Oktober 1826 sandte Humboldt diese Verlagsanzeige an den Potsdamer Geographen Heinrich Berghaus mit Bitte um Veröffentlichung in seinem Journal Hertha, Zeitschrift für Erd-, Völker- und Staatenkunde: „Es wird mir angenehm und ich werde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie die Güte haben, der Anlage einige Aufmerksamkeit zu schenken. Sie giebt Ihnen Nachricht über ein neues, großes Unternehmen, das ich in Gesellschaft mit Kunth seit langen Jahren aufs Emsigste vorbereitet habe. Ich gebe in diesem Prospectus eine Geschichte der ‚Geographie der Pflanzen‘, ausführlicher als früher, und entwickele meine Ansichten über die Art und Weise, wie diese Wissenschaft aufzufassen und zu behandeln ist von Gesichtspunkten, welche vorher nicht immer so scharf ins Auge gefaßt worden sind, wie ich es hier versucht habe.“ (Humboldt an Berghaus, Paris, 18. Oktober 1826, Humboldt 1863, I, 62–63). Die hier wiedergegebene deutsche Übersetzung des Prospectus veröffentlichte Berghaus daraufhin in Band 7 (2. Heft, 2. Abtheilung) der Hertha (Humboldt 1826b).

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| 58 den in Europa und Amerika herausgegebenen Abhandlungen zerstreut liegt,
es wird auch durch inedirte Materialien bereichert werden, welche der
Verfasser der Freundschaft mehrer Botaniker und Reisenden, die das Ge-
biet unsrer Kenntnisse vergrößert haben, verdankt.

Die Geographie der Pflanzen ist eine gemengte Wissenschaft, die auf
keiner festen Grundlage stehen kann, wenn sie nicht zugleich von der be-
schreibenden Botanik, der Meteorologie und der eigentlichen Geographie
Hülfe entlehnt. Wie will man die interessante Aufgabe, welche kryptoga-
mische Pflanzen, welche Gramineen, welche Dikotyledoneen in der alten und
neuen Welt, unter der südl. und nördl. gemäßigten Zone völlig identisch
sind, auflösen, ohne in den Herbarien die benachbarten Spezies nachzuse-
hen, ohne die genauste Kenntniß vom Bau und den wesentlichen Karakte-
ren der Spezies zu besitzen? Wie will man über den Einfluß, den von
außen die Natur und Erhebung des Bodens, die Atmossphäre, ihre Tem-
peratur, ihr Druck, ihre Feuchtigkeit, Elektrizität, das Verlöschen der Licht-
stralen [sic]
, die durch die oberen Luftlagen streichen, auf die Pflanzenwelt äu-
[ß]ert, ohne den gegenwärtigen Zustand der Meteorologie und der Physik
überhaupt zu kennen? Wie die Naturgesetze erkennen, nach welchen die
Gewächsgruppen über Festlande und im Meeresschooße unter verschiedener
Breite und in verschiedener Höhe verbreitet sind, ohne mit Instrumenten
zum Messen der Alpenstationen, der Hitzabnahme auf den Bergabhängen
und in den Wasserlagen des Ozeans, der Einbeugung der Linien gleicher
Wärme und der ungleichen Temperaturvertheilung in den verschiedenen
Jahreszeiten auf der Küste und im innern Festlande, versehen zu sein?
Hat die Geographie der Pflanzen bis jetzt nicht die schnellen Fortschritte
gemacht, welche man nach einer solchen Menge wissenschaftlicher Reisen
hätte erwarten sollen, so liegt der Grund einerseits darin, daß den Bota-
nikern oft die Mittel zur Untersuchung der Höhe und Atmossphäre fehlen,
andrerseits die Physiker entweder nicht die zur Bestimmung der Spezies
unentbehrlichen botanischen Kenntnisse besitzen oder an den Punkten, deren
absolute Höhe sie durch gute hypsometrische Methoden bestimmt haben,
Herbarien anzulegen vernachlässigen.

Hr. von Humboldt, der 5 Jahre lang bald allein, bald vereint mit
Hr. Bonpland in den Aequinoktialregionen Pflanzen gesammelt hat, wur-
de, seit seiner Rückkunft in Europa, durch andre Beschäftigung vom Stu-
dium der beschreibenden Botanik abgehalten. Da sein beständiger Wunsch
ist, in seinem Werke die Unvollkommenheiten so viel als möglich zu he-
ben, so hat er sich mit Hr. Kunth verbunden, welcher durch seine Ta-
lente und durch die Wichtigkeit seiner zahlreichen Arbeiten eine der ersten
Stellen unter den Botanikern unserer Zeit einnimmt. Der Text des Wer-
kes wird von Hrn. von Humboldt sein; die von Hrn. Kunth hinzugefüg-
ten Abhandlungen oder erklärenden Noten werden mit dem Namen dieses
Gelehrten unterzeichnet sein. Die Géographie des plantes, rédigée d’après
la comparaison des phénomènes que présente la végétation dans les
deux continens wird einen Folioband von ungefähr 100 Blatt ausmachen.

Die Erstellung der Datenbestände der edition humboldt digital ist ein fortlaufender Prozess. Umfang und Genauigkeit der Daten wachsen mit dem Voranschreiten des Vorhabens. Ergänzungen, Berichtigungen und Fehlermeldungen werden dankbar entgegengenommen. Bitte schreiben Sie an edition-humboldt@bbaw.de.

Zitierhinweis

Humboldt, Alexander von: Deutsche Ankündigung der „Geographie der Pflanzen nach der Vergleichung der Erscheinungen, welche die Vegetation der beiden Festlande darbietet“ (1826), hg. v. Christian Thomas und Ulrich Päßler. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0016428. Folio: https://edition-humboldt.de/v9/H0016428/58


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