Editorischer Kommentar

In einem Anfang 1849 verfassten Schreiben bat Humboldt Carl Sigismund Kunth, ein Exemplar des bereits gedruckten (aber noch nicht veröffentlichten) zweiten Bandes der dritten Auflage der Ansichten der Natur (Humboldt 1849) durchzusehen. Humboldt beabsichtigte offenbar, Kunths Kommentare, Korrekturen und Zusätze in einer geplanten englischen Übersetzung (Humboldt 1849a) zu berücksichtigen. Die hier dokumentierten Anmerkungen Kunths gingen jedoch nicht in die englische Ausgabe oder eine andere Ausgabe der Ansichten ein.

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| 3r   Humboldt 1849, II.

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Pagina 145.

Wieviel Pflanzenarten es überhaupt auf der Erde giebt, und wieviel davon auf jede einzelne Pflanzenfamilie kommen, dürfte schon deshalb nie zu ermitteln sein, da der Begriff Art von den Botanikern nicht allein im Allgemeinen, sondern selbst in den verschiedenen Familien ganz verschieden aufgefaßt wird. Das einzige Kriterium dafür, die gemeinschaftliche Abstammung von ein und demselben Individuum, läßt sich nur in sehr seltenen Fällen und dann jederzeit nur bis auf einen gewissen Punkt nachweisen. Sie wird daher blos aus Gründen der Wahrscheinlichkeit, wegen der großen Uebereinstimmung aller Merkmale, vorausgesetzt, wobei nothwendig die Individualität des Botanikers in Betracht kommt. So machen Reichenbach und   Vom Schreiber ausgelassen (1 Wort)        offenbar zu viel, andere zu wenig Arten. Aber auch die Familien | 3vselbst zeigen hierin einen bedeutenden Unterschied, bei solchen von sehr einfachem Bau, zum Beispiel Gräser und Cyperaceen, wird auf geringere sehr variable, bei anderen, zum Beispiel den Orchideen, auf wichtigere und beständigere Merkmale Rücksicht genommen. Eine Ausgleichung der hierbei stattfindenden Irrthümer ist aber nicht anzunehmen. Blos in dem Falle, daß sämmtliche Pflanzenarten von einem und demselben Botaniker und nach demselben Princip untersucht und bearbeitet worden wären, würde sich vielleicht ein richtigeres relatives Zahlenverhältniß zwischen den Familien herausstellen, aber nie die absolute Zahl weder aller bekannten Arten noch der Arten der einzelnen Familien ergeben.

| 4r   Humboldt 1849, II.

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Pagina 182.

Daß der Stamm der Coniferen eine so bedeutende Höhe erreicht, kann vielleicht darin seinen Grund haben, daß hier die respectiven Aeste (Triebe) nicht in ihren sämmtlichen Blattachseln, sondern nur in einigen der oberen: Knospen ausbilden, wodurch nothwendig jene weniger erschöpft werden, sich also kräftiger ausbilden können, als bei den Laubhölzern (zum Beispiel Eichen), wo sich in allen Blattachseln Knospen erzeugen.

Endlicher theilt die Coniferen, welche er als eine Klasse betrachtet wissen will, in vier Familien: die Cupressineen, Abietineen, Taxineen und Gneteen (Ephedra, Gnetum). Für andre Botaniker bilden diese Familien bloße Unterabtheilungen der größern Familie.

 

| 4v   Humboldt 1849, II.

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Pagina 201.

Sehr große Verschiedenheiten in der Länge der Nadeln ( Preußisches Zoll: Längenmaß (Preußen), 1 Preußisches Zoll entsprechen 2,62 cm1 Preußisches Zoll: Längenmaß (Preußen), 3 Preußisches Zoll entsprechen 7,85 cm3 Zoll) und in der Größe der Zapfen ( Preußisches Zoll: Längenmaß (Preußen), 1 Preußisches Zoll entsprechen 2,62 cm1 Preußisches Zoll: Längenmaß (Preußen), 3 Preußisches Zoll entsprechen 7,85 cm3 Zoll) habe ich an Pinus Sylvestris in Morfontaines bei Paris beobachtet, so daß man hier leicht in Versuchung kommen könnte, verschiedene Arten zu unterscheiden.

  Humboldt 1849, II.

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Pagina 203.
Ich kann in meiner Ansicht über das sogenannte Umwallen der Tannenstöcke nichts ändern.Anmerkung des Autors (am unteren Rand) Die Holzfasern (Holzzellen) enstehen aus den Zellen des Cambium durch Streckung.

  Humboldt 1849, II.

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Pag. 206.

Die Blätter von Gingko sind nicht kurz sondern ziemlich ( Preußisches Zoll: Längenmaß (Preußen), 1 Preußisches Zoll entsprechen 2,62 cm1 Preußisches Zoll: Längenmaß (Preußen), 2 Preußisches Zoll entsprechen 5,23 cm2 Zoll) lang gestielt, Endlicher nennt sie selbst longi petiolata.

| 5r   Humboldt 1849, II.

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Pagina 207. Anmerkung 24.

Die beiden Gattungen Calladium und Pothos sind jetzt auf wenige Arten beschränkt. Namentlich besteht die letztere blos noch aus Pothos scandens Linné und vier zweifelhaften Roxburghschen Arten, und kommt blos in Ostindien vor. Die sehr zahlreichen amerikanischen Pothos-Arten bilden dagegen die Gattung Anthurium. Pothos pinnatus gehört zu Scindapsus, einer außerdem noch an neuen Arten reichen Gattung der östlichen Hemisphäre. Hiernach kann es nicht mehr heißen: „Caladium und Pothos sind bloß Formen der Tropenwelt“ denn folgende Gattungen sind in demselben Falle: Arisaema, Sauromatum, Amorphophallus, Colocasia, Anthurium, Philodendrum, Aglaonema, Scindaphus, Monstera und viele andre.   

| 5vCaladium arboreum ist jetzt ein Philodendrum; diese letztere Gattung ist blos amerikanisch und ziemlich reich an Arten.

Arum Dracunculus jetzt Dracunculus vulgaris Schott .

— tenuifolium = Biarum tenuifolium Schott.

— cordifolium Bory = Colocasia? Boryi Kunth .

Dracontium (Calla Kunth ) pertusum Linné . heißt jetzt Monstera Adansonii Schott.

  Humboldt 1849, II.

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Pagina 213.
Die beiden Dracaena-Arten aus Neuholland heißen jetzt Cordyline terminalis und indivisa. Es giebt aber außerdem eine große Menge von Dracaena- und Cordyline-Arten in beiden Hemisphären!

| 6r   Humboldt 1849, II.

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Pagina 213.
Da das Genus Rhipidodendrum Willdenow als Unterabtheilung der Gattung Aloe beibehalten wird, so dürfte vielleicht das einst zu streichen sein.

  Humboldt 1849, II.

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Pagina 214
. Würde es auf jeden Fall heißen müssen: Phytelephas macrocarpa (aus Peru und Neu-Granada ) und microcarpa (aus Peru) Ruiz López et Pavón sind daher die beiden einzigen Pandoneen des neuen Continents. Dies ist aber nicht richtig, denn Phytelephas ist blos ein genus Pandaneis affine, ächte Pandaneen des neuen Continents dagegen sind: Carludovica Ruiz López et Pavón (mit 9 Arten) Cyclanthus Poiteau (mit 2 Arten) und Wettinia Poeppig (mit 1 Art.)

  Humboldt 1849, II.

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Pagina 228.
Liliengewächse. Hiermit scheinen aber nach den citirten Gattungen (Alstroemeria, Pancratium, Haemanthus, Crinum) die Amaryllideen gemeint zu sein.

| 6v Das Vaterland der Gattung Amaryllis, in der jetzigen engern Begrenzung, ist das Vorgebirge der guten Hoffnung; Zephyranthis, Habranthus, Hippenstrum und mehrere andere auf Unkosten von Amaryllis gebildete Gattungen sind dagegen in Amerika zu Hause. Haemanthus kommt nur in Afrika vor. Unser Haemanthus dubius gehört einer andern Gattung (Phaedranassa chloracra Herbert ) an.

Die eigentlichen Liliaceen (Tulipaceen de Candolle zum Beispiel Lilium Erythronium, Lilium, Fritillaria, Tulipa, Gagea, Yucca) fehlen meines Wissens am Cap gänzlich.

  Humboldt 1849, II.

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Pagina 228. Note 29.
Wenn das am Ende des Satzes Gesagte überhaupt behauptet werden kann, so gilt es alsdann von sämmtlichen Irideen.

  Humboldt 1849, II.

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Pagina 236.
Ich würde setzen: Die Gruppe begreift die beiden großen Linnéischen Geschlechter Melastoma und Rhexia in sich, welche von spätern Botanikern namentlich Decandolle in zahlreiche kleinere zertheilt worden sind und zwar mir Recht.

| 7r   Humboldt 1849, II.

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Pagina 227.

 Leszczyc-Sumiński 1848, 10–14.

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Graf Suminski
erklärt das was Nägeli bei den Farrn für zwei verschiedne Entwicklungsstufen der Antheridien (Spiralfaserorgane, wovon Analoga bei den Moosen vorkommen, deren eigentliche Funktionen jedoch noch unbekannt sind) hält, für die eigentlichen Geschlechtsorgane. Ich habe mir dies nicht klar machen können.

| 7v [...]

| 8r   Humboldt 1849, II.

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Pagina 242–248.

Der Systematiker berücksichtigt gleichzeitig die (beständigern) Fruktifications- und die (weniger beständigen) Vegetationsorgane; der Physiognomiker dagegen legt eine größere Wichtigkeit auf die letztern, und vernachläßigt oder übersieht mehr oder weniger die erstern. Er nähert auf diese Weise Ephedra der Gattung Equisetum, die neuholländischen Acacien den Winden, Anmerkung des Autors (am rechten Rand) Die Fruktificationsorgane zeigen auch nicht die geringste Uebereinstimmung. und übersieht vielleicht die große reelle Uebereinstimmung zwischen Ribes und Cactus. Ich kann mich in meinem gegenwärtigen Gesundheitszustande nicht deutlicher ausdrücken, was ich eigentlich meine.

| 8v   Humboldt 1849, II.

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Pagina 247.

Die Gattung Aletris gegenwärtig blos auf drei Arten beschränkt (Aletris farinosa und aurea aus Nordamerika und Aletris japonica Lambert) und zu den Haemodoraceen gehörig, dürfte hier nicht gemeint sein, eben so wenig (obgleich sie pagina 213 ausdrücklich genannt wird) Aletris arborea Willdenow (Dracaena arborea Link.) eine blos in den Gärten vorkommende afrikanische? Pflanze, die noch nicht geblüht hat. Wahrscheinlich ist   Humboldt 1849, II.

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(p. 247.)
damit Aletris guineensis Jacquin (Sansevieria「 guineensis Willdenow ) oder Aletris fragrans Linné (Dracaena「「Anmerkung des Autors (am unteren Rand) &) Diese Namen sind die richtigen und beizubehalten. fragrans Gawler ) gemeint, beide in Guinea und Sierra Leone einheimisch.

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Zitierhinweis

Kunth, Carl Sigismund: Berichtigungen und Ergänzungen zu Band 2 der Ansichten der Natur, 3. Auflage (Anfang 1849), hg. v. Ulrich Päßler unter Mitarbeit von Ingo Schwarz. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 3 vom 14.09.2018. URL: https://edition-humboldt.de/v3/H0005459


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