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Sklaven.

unbegreiflich daß Herrenmord so selten u doch unter einem Dache mit Men-
schen[,] die vor wenigen Monathen Menschenfleisch aßen, denen faule aufge-
dunsene Kazen eine süße Speise, der Tod eine Wohlthat ist, die große Hof-
nung auf das Entrinnen sezen, weil sie aus Unkenntniß des Landes von
gastfreien Wilden in der Nähe träumen. Nach Römischen Gesezen wurden
beim Herrenmord ohne Unterschied alle Sklaven, die unter einem Dache
wohnten hingerichtet. Unter dem Nero[,] beim Morde des Pedanius Secundus
Praefect. urbis, wurden 400 unschuldige Sklaven zum Tode geführt. Das
Volk empörte sich über die Grausamkeit, der Senat wankte, bis C. Cas-
sius
die Gefahr der Herren vorstellte. „Suspecta, sagt er, majoribus nostris fuere
ingenia servorum, etiam cum in agris aut domibus iisdem nascerentur cari-
tatemque dominorum statim acciperent. Postquam vero nationes in familiis ha-
bemus, quibus diversi ritus, externa sacra aut nulla sunt, colluviem istam
non nisi metu coercuerit. At quidam insontes peribunt. [...] Habet aliquid ex
iniquo omne magnum exemplum quod contra singulos utilitate publica repen-
ditur.[“] Das Volk drohte mit Steinen. Nero gab Wache. Alle 400 wurden
hingerichtet. Nur des Cingonius Varro Rath, die liberti des Pedanius zu ver-
bannen, wurde verworfen.   Kommentar Carmen Götz
Tacitus Annalen, Buch XIV, Kap. 44, mit geringen Abweichungen und einer Auslassung. Unsere Vorfahren trauten der Gesinnung ihrer Sklaven nicht, auch als diese noch auf denselben Landgütern oder in denselben Häusern mit ihnen geboren wurden und die Liebe zu ihren Herren von Kindheit an in sich aufnahmen. Seitdem wir aber in unserer Sklavenschaft verschiedene Nationen haben, die andere Gebräuche als wir, die eine fremde Religion oder gar keine haben, kann wohl ein solches Gesindel nur durch Furcht in Schranken gehalten werden. Aber es werden dabei doch auch einige Unschuldige ums Leben kommen! So schließt jedes große Strafverfahren eine gewisse Ungerechtigkeit in sich, der Schaden aber, den der einzelne erleidet, wird durch den Nutzen für die Gesamtheit aufgewogen. Tacitus 1954, 703. — Auf Bl. 34r notiert Humboldt, dass er gewöhnlich nach Tische Taciti Annalen las.

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Tacit.[,] Annal.[,] lib 14. c. 6.

D. Antonio Maís zu Cariaco[,] ein gar nicht sehr wohlhabender Mann, schlug[,] geißelte
drei seiner Sklaven tot im J. 99. u dann sagt man[,] der Herr kenne seinen ei-
genen Vortheil. Man bemäntelte das factum u er blieb ungestraft. Auch hat
die Unthat seinem Rufe nicht geschadet. Was schadet hier dem Rufe? Inkon
sequenz. Eben dieser Maís als   Kommentar Carmen Götz
Span., Bürgermeister.

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Alcalde
von Cumaná nahm einer Frau[,] die
ihre Sklavin, ein junges Mädchen, aufs Blut geißelte, diese Sklavin — ein
wunderseltenes Beispiel[,] daß Justiz sich menschlich einmischt. Ueberhaupt ist dadurch[,]
daß man von Gerichts wegen züchtigt[,] Sache der Sklaven fast noch schlier
geworden. Ein Herr führt seinen Sklaven dem Richter zu u giebt ihm
Schuld[,] was er will, er habe den Herrn geschimpft, Meuterei gemacht[,]   Kommentar Carmen Götz
Für lat. perge, fahre fort, und so weiter.

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p
[.]
Der Richter ohne zu untersuchen schlägt, schlägt so lange als der
Herr seine Rache kühlen will. Schlägt man ihn so tot, so ist Herr
ganz unverantwortlich. In Cumaná 1800 habe ich einem Sklaven von Ge-
richtswegen 120   Kommentar Ulrike Leitner
Leder, hier: Peitschenhiebe.

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cueros
geben sehen, weil Herr log[,] er habe gestohlen[,] man
fand ihn unschuldig — Sklaven auf Schiffen[,] die sie bringen, am ärgsten
durch Diätätsregeln gequält. Nach dem Essen begießt
man die Neger mit Meerwasser, statt des Bades. Wegen des Salzgeh h(?)  innerhalb der ZeileSalzgehalts erregt dies
der delikaten Negerhaut Schmerz. Man giebt jedem darauf O innerhalb der ZeileCocosöl[,] um
sich die Haut zu salben. Der Neger hat dann Lust[,] nach dem Essen zu
schlafen, aber nein, man geißelt sie zum Tanze mit vollem Magen
u schlägt jeden[,] der nicht tanzt, als Bewegung. Jeder Capitain quält
nach seiner Diätetstheorie!! — Congo beste, gebildetste Negerrace[,] von Engl. am
meisten gesucht. Alle Neger vom Congo fürchten die   Kommentar Carmen Götz
Kalabari, Volksgruppe im heutigen Nigeria.

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Calabari’s
[,] weil diese Menschen
essen, wo vor Congo Abscheu hat. Im Congo Sklaven, nemlich Gefangene, doch
nicht bloß zum Verkauf, sondern zum häuslichen Gebrauch.

Der alte Sklavenhändler William Snelgrave behauptet in seiner   Kommentar Ulrike Leitner
Snelgrave 1734, 188.

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H. of Guinea 1734[,]

daß Küste von Cap Verd bis Angola wohl bis 70 000 Sklaven in guten Jahren
ausführe. Die   Kommentar Ulrike Leitner
„Congo“, „Cormartino“, „Calabari“ waren Bezeichnungen der Sklaven nach ihrer Herkunft. Vgl. Zeuske 2017.

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Cormartinos
(Côte d’or) sehr böse Neger. Man hat in Antillen
bis 30 gesehen[,] die aus Mismuth sich zusaen an einem Baum aufgehangen[.]
In Cumaná habe ich einen Spanier gekannt, der seine Sklaven die ganze Nacht arbeiten ließ
(schliefen nicht 2 St.) u Nachts auf Stühle gebunden, schlug er 3 Stunden lang langsam einen Sklaven
150–200   Kommentar Carmen Götz
Peitschenhiebe, von span. látigo, Peitsche.

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Zitierhinweis

Humboldt, Alexander von: Voyage d’Espagne aux Canaries et à Cumaná Obs. astron. de Juin à Oct. 1799 [= Tagebücher der Amerikanischen Reise I], hg. v. Carmen Götz und Ulrike Leitner unter Mitarbeit von Sandra Balck, Linda Kirsten, Ulrich Päßler, Eberhard Knobloch, Oliver Schwarz, Laurence Barbasetti und Regina Mikosch. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0016412. Folio: https://edition-humboldt.de/v9/H0016412/58r


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