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Kommentar Carmen Götz
Dieser Text zu Erdbeben in
Cumaná beginnt
auf der Rückseite des Blattes (34v). Das Blatt wurde
aus dem gebundenen Tagebuchband herausgeschnitten.
[Schließen] 4ten November. von Morgens um 9
heures
an schon Thermometer
Réaumur: Temperaturmaß, 22,4 Réaumur entsprechen 28,00 °C22°,4 Réaumur.
Hygrometer 49°. Deluc. Schwüle Hize.
Anmerkung des Autors
(am rechten Rand)
Kommentar Ulrike Leitner
Im Kapitel „Tremblement de la
terre“ beschreibt de Pons
Erdbeben in Cumaná im Mai
1802 und damit in Zusammenhang stehende meteorologische
Beobachtungen zu Regen, Elektrizität der Atmosphäre etc. Vgl.
Pons 1806, I,
123–125.
[Schließen]
Depons I,
123
.
Dikke Gewitterwolken am Gebirge um 2
heures
bald näher.
Gegen 4
heures Donner nahe, aber sehr hoch und kurz abgesezt. Anmerkung des Autors
(am rechten Rand)
In der Kommentar Ulrike Leitner und Carmen Götz
Span., eigentlich chacra:
kleines Landgut. Chacra, par
corruption Chara, hutte ou cabane
environnée d’un jardin. (Humboldt 1814–1825,
I,
302).
[Schließen]Chara des Commendanten Don
Antonio Montanna haben Sklaven am Brunen etwa Lachter: Bergbauliches Längenmaß, 3 Lachter entsprechen etwa 6 m3 Lachter tief eine Explosion wie eine 24pfündige
Kanone gehört, ein Phänomen, das man bei andern Erdbeben oft hier
wahrgenommen, nemlich an Brunnen.Mitten unter dem Donner 2 heftige Erdstöße etwa 15″
von einander entfernt. Ich fühlte den
ersten in der Kommentar Ulrike Leitner
Hängematte.
[Schließen]Hamake, wo ich wie gewöhnlich nach
Tische
Kommentar Carmen Götz
Cornelius Tacitus: Annales [Libri
ab excessu divi Augusti] (Tacitus, Annalen), neben den
Historien das zweite Geschichtswerk des Tacitus.
[Schließen]Taciti Annalen
las, den zweiten, in dem ich nach der
Thüre lief. Ein 15 Minuten vor dem Erdbeben sehr heftiger,
hier sehr ungewöhnlicher Sturm mit etwas Regen. Trüber Himmel den ganzen Abend. Barometer etwas höher als
gewöhnlich,
Thermometer um 7
heures
an Réaumur: Temperaturmaß, 21 Réaumur entsprechen 26,25 °C21°
Réaumur,
Hygrometer 60. Um 9
heures
immer noch Windstill und trübe mit etwas einzelnen Regentropfen.
Thermometer
Réaumur: Temperaturmaß, 19 Réaumur entsprechen 23,75 °C19
°. Hygrometer 66. Beim Sonnenuntergang eine zufällige prächtige
Naturerscheinung. Das Gewölk zerriß, die Sonne erschien in 12°
Höhe wie ein Feuerklumpen auf hellem reinem blauem Grunde und die Ränder des dikken Gewölks umher bis an den Zenith
spielten mit allen Farben des Regenbogens von unbeschreiblicher Pracht.
Alles Volk lief zusammen und glaubte,
darin einen Zusammenhang mit dem Erdbeben zu finden. Richtung des
Erdbebens schien allen Zeugen, auch mir,
von Süd gegen Norden. Nachts 9
heures wieder sehr schwacher Erdstoß mit unterirdischem
Getöse. Ganze Nacht keine brize (was hier Nachts sehr selten). Himel so dunstig,
daß kaum Stelle, wo Mond stand, zu erkennen war. Man erkannte die Stelle
nur an einem Kommentar Ulrike Leitner
halos (griech.), Halo (deutsch),
ein Lichteffekt in der Atmosphäre, hier ein Lichtring um den Mond,
verursacht durch Lichtstrahlenbrechung.
[Schließen]Halon von 20° Durchmesser.
5ten November. sehr heiter blau. Cyanometer 22. fürchterlich heiß. 10
heures
Thermometer
Réaumur: Temperaturmaß, 22 Réaumur entsprechen 27,50 °C22° Réaumur.
Hygrometer 54. Barometer sehr hoch. Wie am 4ten seit 2 Uhr heftiger Wind,
etwas Regen, dikkes Gewölk. Besorgniß von Erdbeben, aber es erfolgte nicht. Seit dem 4ten alle Tage
heftiger Sturm um 2 Uhr
und so gewöhnlich und richtig von mehreren Einwohnern in Cumaná beobachtet, daß alle Wetterveränderungen hier
auf 5–8 Tage einen beständigen
Tӱpus
annehmen. Wenn es einmal um 3
heures
Nachmittags stürmt, so stürmt es 5–6 Tage lang immer um dieselbe Stunde. Am 11ten Nachts sehr kühl. Am 12ten
November von 2½ – 4 Uhr Morgens ein prächtiges Schauspiel am östlichen Himmel. Zahllose Feuerkugeln und Sternschnuppen, welche einen Lichtweg hinterließen und die Aufmerksamkeit aller Einwohner, welche die Frühmesse um 4
Uhr hören, auf sich zogen. Sternschnuppen sind ohnedies nach 2 Uhr hier sehr selten. Der Weg, den
sie bezeichneten, leuchtete 12–15°
weit, mehrere sprühten Funken,
ein wahres Feuerwerk. Man sagt mit Furcht, daß
einige Tage vor dem Erdbeben 1766 ähnliches
Feuerwerk gesehen ward. Nachts am 11ten
Hygrometer sehr gewöhnlich 58° Deluc,
Thermometer
Réaumur: Temperaturmaß, 19 Réaumur entsprechen 23,75 °C19°
Réaumur. Aber Morgens um 9
heures
am 12ten Hygrometer 50°, um 1 Uhr Thermometer
Réaumur: Temperaturmaß, 23 Réaumur entsprechen 28,75 °C23°,
Hygrometer 45,4 also große Trokkenheit.
Barometer
Ligne: Längenmaß (Frankreich), 335,3 Ligne entsprechen 756,44 mm335,3
Linien. Morgens um 7 Uhr Kommentar Carmen Götz
Vgl. die Anm. zu Bl. 34r.
[Schließen]Heerauch ein 14° hoch am Horizont. Die
Feuerkugeln ließen Lichtstreifen von 1° 30′ Durchmesser;
sie flogen (eben dies in Nueva Barcellona beobachtet) von
Norden gegen Süden bis 40° hoch. Einige
sah man schon um 1 Uhr und einige waren selbst ¼ Stunde nach Sonnenaufgang noch sichtbar. Anmerkung des Autors
(innerhalb der Zeile)
Auf meiner Reise habe ich erfahren,
daß man diese Feuerkugeln in Portocabello, Maracaybo,
San Fernando de
Apure, ja bis
Atures
und
Maroa im
Río negro beobachtete. So hoch ist
Phänomen.
Anmerkung des Autors
(am rechten Rand)
auch Kommentar Carmen Götz
Vermutlich
das
Manuskript, das Humboldt in seinem Index général de mes manuscrits. comencé le 4 Déc. 1805 (ART V, 37r; Digitalisat SBB-PK) anführt: G
signifie le petit Cahier fait à Göttingue en
1805,
eine Sammlung von Exzerpten und Messreihen, die er 1805 in
Göttingen angefertigt
hat. Vgl. hierzu — und zur weit verbreiteten Beobachtung des
Phänomens — in seinem Reisebericht (Relation
historique): J’étois vivement frappé de
l’immense hauteur que devoient avoir ces bolides pour être
visibles à la fois à Cumana et aux limites du Brésil, sur une ligne de 230
lieues de longueur. Quel fut mon étonnement, lorsqu’à mon
retour en Europe,
j’appris que le même phénomène avoit été aperçu sur une
étendue de globe de 64° en latitude, et de 91° en longitude,
à l’équateur, dans l’Amérique
méridionale, au Labrador et en Allemagne! Pendant mon trajet de Philadelphie à Bordeaux, je trouvai[s]
accidentellement dans les Mémoires de la
Société de Pensylvanie l’observation
correspondante de M. Ellicot (lat., 30°42′), et, lors de mon
retour de Naples à
Berlin, dans la
bibliothèque de Gottingue, le récit des missionnaires
Moraves [Herrnhuter Missionare] chez les Esquimaux. A cette
époque, plusieurs physiciens avoient déjà discuté la
coïncidence des observations du nord avec celles de Cumana,
[…].
Humboldt 1814–1825,
I, 522–523; dt. Übers. von Hauff: Humboldt 1859–1860,
II, 71-72. Auf den folgenden Seiten fasst Humboldt die
Diskussion unter den zeitgenössischen Physikern zusammen.
[Schließen]in Grönland:
Manuskript
Göttingen
und
in Kommentar Carmen Götz
Der Mathematiker und
Vermessungsingenieur Andrew
Ellicott (1754–1820), den Humboldt im Juni 1804
in Lancaster besuchte,
hatte am 12. November 1799 auf einer Schiffsreise an der
Südküste Floridas das von
Humboldt beschriebene „Phänomen“ ebenfalls beobachtet. Den
betreffenden Auszug aus seinem Reisetagebuch hatte Ellicott am
16. Januar 1801 in Philadelphia vor der American Philosophical Society präsentiert:
NOVEMBER 12th 1799, about three o’clock, A. M. I was
called up to see the shooting of the stars (as it is
commonly called.) The phenomenon was grand and awful, the
whole heavens appeared as if illuminated with sky-rockets,
which disappeared only by the light of the sun after day
break. The meteors, which at any one instant of time
appeared as numerous as the stars, flew in all possible
directions, except from the earth, toward which they all
inclined more or less; and some of them descended
perpendicularly over the vessel we were in, so that I was in
constant expectation of their falling among us. My
thermometer which had been at 86° of Farenheits scale for
four days, fell to 56° about 4 o’clock A. M. and nearly at
the same time the wind shifted from the South to the N. W.
from whence it blew with great violence for three days
without intermission. We were in latitude 25° N. and S. E.
from Kay Largo, near
the edge of the Gulph
Stream." / I have since been informed that
the above phenomenon extended over a large portion of the
West India islands
and as far as North as Mary’s in latitude 30° 42' where it
appeared as brilliant as with us off Cape Florida.
Ellicott 1809,
28–29. Vgl. dieselbe Passsage im IX. Kapitel seines 1803
erschienenen Journal; Ellicott 1803,
248.
[Schließen]
Nord America:
Philosophical Transactions,
page 27.
Kommentar Carmen Götz
J. W. Ritter berichtet in
den von Ludwig Wilhelm
Gilbert herausgegebenen Annalen der Physik über eine […] allgemeine Erd-Electricität, oder
electrische Polarität der Erde,
die aber, weit entfernt mit der ältern magnetischen
zusammenzufallen, vielmehr in der Lage und Richtung ihrer
Achse, ihres Aequators
u. s. f., eine von dieser ganz verschiedene Ordnung befolgt
[…] Gelegentlich füge ich […] für jetzt bloss noch eine
Beobachtung bei, über das am 12ten November 1799 fast zu
gleicher Zeit von dem Herrn von
Humboldt zu Cumaná […], den Missionarien auf Labrador und Grönland, […] Herrn von Hardenberg
in Weissenfels, […]
und Hrn.
Böckmann
zu Carlsruhe, […] beobachtete merkwürdige meteorologische
Phänomen; […] Ich entlehne sie aus dem Nachlasse des [
…] Pastors J. G. Ch. Zeissing
zu
Isterstädt. Zu dem auch von Humboldt
beobachteten Phänomen heißt es darin: 12te. Vollmond. […]
Früh zwischen 6 und 7 Uhr sind 4
seltsame Lufterscheinungen bemerkt worden, nämlich
einige sogenannte weisslich aussehende Sternschnuppen;
dann 2, wohl 2–3 Ellen lange feurige Strahlen
herunterfallend […] Dann hat sich bei ziemlicher
Tagesdämmerung zwischen 7 und 8 Uhr in SW. ein
geschlängelter weisser Strahl […] gezeigt, und weisse
Blitze oder Erleuchtungen hier und weit und breit
wahrnehmen lassen.
(Ritter 1803a,
106–109) Vgl. auch Ritter
1803b sowie Chladni 1803 im selben Band.
[Schließen]
Gilbert,
Band 15.
pagina 107.
Anmerkung des Autors
(am rechten Rand)
Mir ist es sehr wahrscheinlich, daß Golfo de
Cariaco
durch Erdbeben
sich
einst mit
Golfo triste verbinden wird.
Die Kommentar Carmen Götz
Heiße Schwefelquellen
(aguas calientes) Vara (spanisch): Längenmaß (Spanien und Lateinamerika), 6.000 Vara (spanisch) entsprechen 5,01 km6000 varas von Cariaco (San Felipe de Austria)
entfernt (vgl. ART IV, Bl. 127v; Digitalisat SBB-PK; Humboldt 2000,
352).
[Schließen]heißen Quellen, Schwefel in Hacienda del
Brigantin,
der Cumacatar, die Theerquellen — alles verkündigt den
Durchbruch.
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