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am oberen Rand
Kommentar Florian Schnee
Ein Großteil der Angehörigen der
Torgouten (Torgoten, Torguten), ein Hauptstamm der Wolga-Kalmücken, war im Winter 1770/1771 unter Führung von Ubashi Khan unter hohen Verlusten in ihr ursprüngliches
Siedlungsgebiet am Fluss Ili zurückgekehrt. Sie waren
im 17. Jahrhundert von der Dsungarei über Sibirien bis in den Ural und an die Wolga vorgedrungen.
In dem von Humboldt im Anschluss erwähnten Aufsatz "Die Kalmücken an der Wolga" von Alexander
Wassiljewitsch Popow heißt es: [A]m 5. Januar 1771 flohen die
Kalmücken zu ihrem eigenen Verderben aus Rußland (Popow 1839, 923).
Weitere Information
[Schließen]Ueber Flucht
der Torgoutes
Der Aufsatz "Die Kalmücken an
der Wolga", von Alexander Wassiljewitsch
Popow war zwischen dem 18. und dem 23. August 1839 in Band 12 der Zeitschrift
"Das Ausland" erschienen. Auf S. 917 berichtet Popow über die Vorgeschichte der Wanderung
des Kalmückenstammes und seine Ankunft an der Wolga am Ende des ersten Drittels des 17.
Jahrhunderts.
[Schließen]
Popow
in Aust über den ursprünglichen Text geschriebenl. Août
1839, p. 917.
Der Besuch beim Oberhaupt der Wolga-Kalmücken, Sereb-Dschab Tjumenev, am
21. Oktober 1829 (vgl. Rose 1837/1842, II, 334
-344
).
[Schließen]Visite chez le Prince Calmoucke
Oct.
porte d’Astrachan
Am 21. Oktober 1829 verließen Humboldt und seine Begleiter Astrachan und
setzten am Morgen früh [...] in einem kleinen Boote über die Wolga. Am rechten
Flussufer erwarteten sie die Ankunft der Reisewagen, die mit größeren Booten transportiert
werden mussten und um 10 Uhr eintrafen (vgl. Rose
1837/1842, II,
335).
[Schließen]le 9 matin v. st. Rose berichtet von der sandigen Beschaffenheit des ersten
Teil des Wegstrecke von Astrachan nach Zamjany (Rose
1837/1842, II,
335).
[Schließen]horribles sables
dunes et déserts à Versta: Längenmaß (Russland), 80 Versta entsprechen 85,34 km80 W.
trouvé Die Ankunft in Zamjany, dem Ort,
an dem Humboldt und seine Begleiter wieder über die Wolga
setzen wollten, erfolgte nach beschwerlicher Reise erst am Abend des 21. Oktober 1829. Am Morgen desselben Tages
hatten zunächst auf das rechte Ufer übersetzen müssen, da eine Fahrt am linken, nördlichen Ufer
wegen der vielen Kanäle und Flüsse, die das Land zwischen der Wolga und der Achtuba
durchschneiden, nicht ausführbar gewesen wäre (Rose 1837/1842, II, 335).
[Schließen]le soir à Zamiänski
unter der Zeilepuis
jeune frère du
Prine
apellé Tzerenorva
traversé le 10 Oct
par un vent violent le Wolga
( 1. W. de large, Rose zufolge war die vorangegangene Nacht ziemlich kalt
gewesen, sodass beim Übersetzen über die Wolga
am Morgen um 9 Uhr [...] die Luft nur eine Temperatur von 3° R.
hatte, während das weniger abgekühlte Wasser der Wolga
noch eine Temperatur von 7°,5 hatte (Rose
1837/1842, II,
335f.). Humboldt datiert die Überfahrt von Zam'yany nach Tjumenevka auf den 10. Oktober 1829 und gibt Temperaturen von
9,4° (Wasser) und 3,7° (Luft) an (Humboldt 1844, I,
422
, Nr. 39).
[Schließen]
eau 7°½ air 3°
Das vergleichsweise warme Wasser des Flusses bewirkte durch
Erwärmung der über ihm stehenden Luftschicht eine Luftspiegelung, die so ausgezeichnet war,
wie wir sie nur mitten im Sommer in den Steppen des Altai gesehen hatten. Die höhern
Gegenstände des gegenüberliegenden Ufers schienen uns dadurch gehoben und nach unten zu
verkehrt, wie wenn sich ein Gegenstand im Wasser spiegelt(Rose 1837/1842, II, 336).
[Schließen]
énorme mirage
sur l’eau
) et Die Fürstenresidenz Tumeniewka lag
laut Rose vom Landungsplatze noch 12 Werste weiter aufwärts der Wolga
(Rose 1837/1842, II, 336).
[Schließen]de là en remontant
par terre 12 W.
nous sommes arrivé au
Zwick zufolge ein großes, etwas dreißig Schritt langes, hölzernes
Schloß [...]. Im Innern ist dasselbe gut eingerichtet, enthält mehrere Säle mit glänzenden
Kronleuchtern und großen Spiegeln, ein Billard, ein Fortepiano und mehrere Spieluhren, und
ist mit schönen Mahagonymöbeln ausgeschmückt (Zwick 1827, 162). Bei Rose heißt es: [D]ie Residenz des Fürsten,[...] hat schon ziemlich das Ansehen eines russischen
Dorfes und besteht aus einer Menge unregelmäßig stehender hölzerner Häuser und Kibitken,
über welchen allen das hölzerne Schloss des Fürsten hervorragt, ein etwa 30 Schritt langes
Gebäude von 2 Stockwerken, dessen zweites Stockwerk gegen das untere etwas zurücktritt, und
hier mit einem Geländer umgeben, in der Mitte aber mit einer gläsernen Kuppel versehen
ist (Rose 1837/1842, II, 336).
[Schließen]château du prince (en bois) environné
de Jurtes et maisons des Calmouques.
Ce petit village s’appelle Vermutlich Zamjany, der Ort der
Überfahrt über die Wolga, und nicht ein abweichender Name
des Residenz-Ortes Tjumenevka. Die Aussprache des
Ortsnamens Zamjany dürfte dem von Humboldt nach Hörensagen
notierten recht nahe kommen.
[Schließen]Schambei à cause d’une unter der Zeile
Beim Übersetzen über die Wolga
kamen Humboldt und seine Begleiter an mehreren mit Pappeln und Weiden besetzten
Inseln vorüber(Rose 1837/1842, II, 336).
[Schließen]île voisine ou
Tumeniefka. Châsse au fameux
superbe église à la fois les
Sereb-Dschad Tjumenew hatte neben
dem Eingang zu beiden Seiten bogenförmige Säulengänge [...], wie bei der Kasanischen Kirche in Petersburg, der nach dem Vorbild des Petersdoms in Rom erbauten Kasaner Kathedrale, anlegen lassen (Rose 1837/1842), II, 339.
[Schließen]colonnes de l’égl
de Casan et Bei der Gestaltung des Gotteshauses war Rose zufolge sonst streng
nach tibetanischen Modellen verfahren worden. Humboldt bezieht sich vermutlich auf
die Gliederung des Innenraumes durch [z]wei Reihen viereckiger Pfeiler, die
das Innere gleichsam in 3 Abtheilungen unterteilten (Rose 1837/1842, II, 339).
[Schließen]tonnelles de Tibet
: 28 prêtres
Rose zufolge wurde die bei der Zeremonie zu Gehör gebrachte Musik
durch die Töne zweier wohl acht Fuss langer, auf besonderen Unterlagen stehender
Trompeten verstärkt (Rose 1837/1842,
II, 340).
[Schließen]trompètes de Pied: Längenmaß (Frankreich), 12 Pied entsprechen 3,90 m12 pies
. L’homme rouge sévère
fraix annuels de la cathédrale Russischer Rubel (Rubl'): Währungseinheit (Russland)15.000 r
. Zur Leichenverbrennung in der von den Kalmücken praktizierten Form des
Buddhismus vgl. Krünitz, Bd 74, 237-249
[Schließen]
Le Pr. sera brûlé. (Il y a 5000 Geweihte lamaistische Priester der Kalmücken (vgl. Pierer 1835-1836, Bd 8, 181f.).
[Schließen]gellongs
dans Gouv Astrachan sur 25 mille kibitk
à 100.000 calmouks. Clergé augmente
Humboldt hatte Rose zufolge darum gebeten, ihm die Falkenjagd
vorzuführen. Sereb-Dschab Tjumenew ließ daher einen
Falken und einen Schwan holen, auf den der Falke stossen sollte. Der Falke stieg hoch in die
Höhe, und wurde kaum des Schwans ansichtig, als er auf ihn zustürzte, und ihn mit seinem
Schnabel mit Heftigkeit auf den Kopf hackte, und ihn getödtet haben würde, hätte man nicht
die Vorsicht gehabt, dem Schwane, ehe man ihn laufen liess, einen dicken wollenen Ueberzug
auf den Kopf zu binden (Rose 1837/1842,
II, 343).
[Schließen]Chasse au Faucon
am rechten Randavec cygne en masque.
Neaux(?)
chevaux
de Khiwa apellés Sereb-Dschab Tjumenew hatte Humboldt
die Arjamaks oder bucharischen Pferde [...] aus seinem Stall alle einzeln
vorgeführt (vgl. Rose 1837/1842, II, 200 mit Anm. 1,
343).
[Schließen]Arghamaks.
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[Schließen]Kalmückenfürst Serbetschah Im Bericht des Gemeindevorstehers von Sarepta, Heinrich August Zwick, über seine Missions- und Forschungsreisen in die Kalmückensteppe findet sich der Name des Kalmückenfürsten mehrfach in der Schreibweise "Sered-Dschab" (vgl. Zwick 1827, 61, 157, 161 und passim).
[Schließen] am linken Rand ⎡ Sereddschab, Zwick.
Tumenjew Herrscher des
Chotomtuskischen Kommentar Florian Schnee
Ulus, der; größte ethnische Einheit der Kalmücken; auch Horden- oder Nomadenlager von Kalmücken oder sibirischen Volksstämmen; whrs. von mongol. oder alttürk. ulus: Stamm, Geschlecht, Leute, Volk.
Weitere Information
[Schließen]Uluss
Johann Jakob Friedrich Wilhelm Parrot nennt den Kalmückenfürsten auf Seite 12 des ersten Bandes seines Berichts über die Reise zum Ararat im Jahr 1829 Serbetschab Timenjew (Parrot 1834, I, 12).
[Schließen] Parrot p 12. Auf den Seiten 61, 162 (und passim) des 1827 erschienenen Berichts von Zwick über seine "Reise von Sarepta in verschiedene Kalmücken-Horden" wird der Kalmückenfürst in der Schreibweise "Sered-Dschab" erwähnt.
[Schließen] Zwick p 61. 162.
Humboldt verweist zwar auf den zweiten, bezieht sich aber auf den ersten Band der "Voyage dans les steps d'Astrakhan et du Caucase" von Jan Potocki. Auf der von Humboldt angegebenen Seite dieses Bandes berichtet Potocki von einer auf den 8. (bzw. 20.) Juni 1797 datierten Begegnung mit einem Kalmückenfürsten namens Tumen, der sich nahe der Wolga ein schönes Haus gebaut und das nomadische Leben weitgehend aufgegeben habe (Potocki 1829, I, 38). Bei einem erneuten Verweis auf Potocki in seinem Tagebuch gibt Humboldt Band und Seitenzahl korrekt an (vgl. Bl. 105v

[Schließen] Potocki II 38.
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leer (1 Seite)[...]
Le Prince s’apelle
Serebedjab (non Seredschab)
Tumenief
Rose zufolge war der Kalmückenfürst in dunkelgrüner Kutka als
russischer Oberst gekleidet (Rose
1837/1842, II,
337).
[Schließen]Colonel (Ordre pour le mérite)
étoit du Corps de Blücher, Sereb-Dschab Tjumenew hatte im Krieg
gegen Frankreich unter Napoléon Bonaparte ein Kalmückenregiment des russischen Heeres geführt
(vgl. Humboldt 2009a, 203, Anm. 7, Nr. 67).
[Schließen]fait la
guerre à ses fraix. Ses 3 frères Bater
Ulscha (des Cosaques de
la Garde à
Hans Graf von Diebitsch-Zabalkanskij war seit Februar 1829
Oberbefehlshaber der russischen Armee im Russisch-Osmanischen Krieg (1828–1829).
[Schließen]l’armée
de Dibitsch
); Tzerendanduk dans la mai
son avec de jolis
petits enfans; Tzere-
norwa
. Le[s] derniers élève[s] au
Collège
d’Astrachan; maître de danse italien[ne]
musique de Dn
Juan. Le Pr
m’a
donné prières tibétaines. Nous vîmes
chez lui In Tjumenevka kam es zu einer
Begegnung mit Dschangir Khan, dem Oberhaupt der benachbarten
Inneren oder Bukej-Horde (Bukeevskaja orda, Бөкей Ордасы [Bökeý Ordası]) der Kasachen. Dieser
hatte seine für den Vortag geplante Abreise wegen der Ankunft von Humboldt verschoben (vgl.
Rose 1837/1842, II, 337f.).
[Schließen]le Chan de la Horde intér
(venue avec kib. en 1800) apellé
Dgehangir Khan
. Vermutlich bezogen auf die kasachische Bukej-Horde, deren Oberhaupt
Dschangir Khan war.
[Schließen]Bukeef
Dschangir Khan war Rose zufolge ein reichgekleideter
junger Mann von mongolischer, doch angenehmer Bildung(Rose 1837/1842, II, 337).
[Schließen]jeune Prince d’
un esprit très cultivé
Dschangir sprach laut Rose fertig russisch, konnte
aber außerdem noch persisch und arabisch sprechen, so dass in letzterer Sprache Professor
Ehrenberg
sich unmittelbar mit ihm unterhalten konnte (Rose 1837/1842, II, 338).
[Schließen]parlant russe un peu
persan et arabe, jadis très dépendant des mill Unleserliche Stelle (1 Wort)
[...]
aujourd’hui passionné pour Mathématique
par Karelin hatte gemeinsam mit
Eduard Friedrich Eversmann von 1827 bis 1829 das Gebiet
der ehemaligen Horde Bukeyev bereist und kartographiert.
[Schließen]la société de Mr
Careli[n]
office d’Ingé
nieur exilé (pas
Arachcef) qui a des collec
tions de plantes et insectes. La Offenbar war Humboldt die Feststellung wichtig, dass Tjumenew keine Vielehe führte.
[Schließen]femme uni
que du Khan est la fille du Grand Mufti
tartare d’Ouffa elle parle allemand et un
peu français. Nous vîmes chez le
Pr. Tumenief
la Humboldt hatte den Fürsten laut
Roses Bericht gebeten, ihm die Zubereitung von Branntwein aus Kumys – vergorener,
alkoholhaltiger Stutenmilch – vorzuführen. Zu der im Folgenden erläuterten Herstellung von Kumys
sowie dessen Weiterverarbeitung zu Branntwein vgl. die ausführliche Anmerkung zum "Auszug aus einer Abhandlung über die Wirkung verschiedener
Säuren auf Dextrin, Rohr-, Milch- und Mannazucker, von Hrn. Persoz
", die auf Informationen von Gustav Rose zurückgeht.
Der Auszug war 1834 in den von Johann Christian Poggendorffherausgegebenen Annalen der Physik und Chemie (Bd 32, 207-211) auf
deutsch und bereits 1833 in französischer Sprache im Journal de chimie médicale, de pharmacie et de toxicologie, Bd 9, 417-421
erschienen. Für die nur in der deutschen Fassung enthaltene Anmerkung dankt der Herausgeber
der Gefälligkeit des Hrn. Professor G. Rose
für Auskünfte von seiner Reise mit Hrn. v. Humboldt.
[Schließen]préparation du lait alcoholisé. On commence
à préparer du lait de jument de Kumys, gesäuerte bzw. vergorene oder in Gärung befindliche
Stutenmilch.
[Schließen]Cumis (tat)
Tschigan; Bezeichnung der Kalmücken für vergorene Stutenmilch (vgl.
Rose 1837/1842, II, 338).
[Schließen]= schigan Kirg. C’est die
buttermilch.
On
glace le lait dans un vase
Späterer, frühestens von Ende August 1839 datierender Zusatz Humboldts.
Er steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit Alexander Wassiljewitsch
Popows Aufsatz "Die Kalmücken an der
Wolga", der im August 1839 in Fortsetzungen in der Zeitschrift "Das Ausland. Ein
Tagblatt für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker" auf Deutsch erschienen war.
Zuerst war er im April desselben Jahres im Journal des russischen Ministeriums der
Volksaufklärung veröffentlicht worden. Auf der von Humboldt genannten Seite 930 des Aufsatzes
erwähnt Popow, der 1839 in der Schriftenreihe der Sankt Petersburger
Akademie der Wissenchaften eine Monographie über die Wolga-Kalmücken publizierte, den Fürsten Serbe-Dschab-Tjumenev in eben dieser, von Humboldt nun als korrekt übernommenen
Schreibweise (vgl. Popow 1839, 926, 930).
[Schließen]
⎡Wahrer Name Serbe Dschab Tjumenew (de
l’Oulousse des am linken Rand
⎡des Kalmuks Unleserliche Stelle (1 Wort)
[...]
Kaochoutes[)]. Ausland Aug 1839 p 930
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