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II. Herr Ritter: Mittheilung aus einem Briefe des
britischen General-Consuls Sir Rob. Schomburgk d. d.
Santo Domingo vom 5. Febr. 1850 an Herrn
A. von Humboldt Durch Herr von Humboldt gütigst mitgetheilt.1)

Krieg, Revolution und Belagerungen sind keine Elemente welche zur Förderung der Wissenschaft dienen. Das schöne Bild der Ruhe und Musse, um das Studium der Naturwissenschaften gelegentlich zu verfolgen, welches ich mir träumte, als ich hierher versetzt wurde, ist leider ganz durch die Wirklichkeit gestört, und ich habe nur wenige Augenblicke seit meiner Ankunft gefunden, um mich meinen Lieblingsstudien zu widmen. Doch wagte ich trotz der Unruhen, mit welchen die kleine Republik von aussen bedroht war, gegen Ende des vorigen Jahres (1849) eine Reise bis an die südwestliche Grenze zu unternehmen, wobei ich bis in das Flussgebiet der Artibonite vordrang.

Die herrschenden Feindseligkeiten zwischen dem grossen Kaiserthum Hayti (bestehend aus einer Gesammtbevölkerung von ungefähr 450000 Seelen) und der hiesigen dominicanischen Republik, nöthigten mich, dort umzukehren. Während dieser Reise besuchte ich auch den See Henriquillo, ohne Zweifel einst durch eine Con | 14vulsion dieses Theils des Erdstrichs nach den ihn umgebenden Terrain emporgehoben. Ich habe Corallen auf den nahen Bergen bis auf 800 Fuss Höhe gefunden, und noch näher am See findet man ganze Lager fein gezweigter Corallenstöcke. Fossile Muscheln, bestehend aus Genera und Species, die man noch immer im Meere findet, sind sehr häufig; viele besitzen noch den Farbenglanz, und ich würde die Zeit, wo die gewaltige Erhebung statt fand, ohne weiteres der neuen tertiären Periode zuschreiben, hätte ich nicht einige Muscheln mehrere Meilen östlich vom jetzigen Ufer des Sees gefunden, welche einer älteren Periode anzugehören scheinen.

Diese Muscheln sind von mir an den Professor Edward Forbes zur Vergleichung und Bestimmung abgesandt worden. – Der See selbst ist nach Schätzung etwa  Geographical mile: Längenmaß (Großbritannien), 45 Geographical mile entsprechen 84,84 km45 engl. geogr. Meilen lang und  Geographical mile: Längenmaß (Großbritannien), 3 Geographical mile entsprechen 5,66 km3 Geographical mile: Längenmaß (Großbritannien), 5 Geographical mile entsprechen 9,43 km5 Meilen breit; sein Wasser ist salzig, jedoch bei weitem nicht so reich im Gehalt, als das Meerwasser.

Das Meer mag am nächsten Puncte etwa  Statute Mile: Längenmaß (Großbritannien), 25 Statute Mile entsprechen 40,23 km25 engl. Meilen vom See entfernt sein. Das Wasser des Sees steigt und fällt mit Ebbe und Fluth, jedoch nur einige Zoll. Allein ausser dieser periodischen Bewegung gibt es noch eine zweite, viel merkwürdigere; nämlich das Niveau des Sees steigt langsam für 1, 2 oder 3 Jahre ganz unabhängig von der Menge des herabfallenden Regens, und, wenn diese Steigung das Maximum erreicht hat, zu welcher Zeit alle Anpflanzungen am Ufer des Sees unter Wasser stehen, fällt das Wasser wieder nach und nach in einer ähnlichen Periode, bis der See den Stand seines Minimum erreicht hat. Zuweilen braucht das Ansteigen zum Maximum 1, 2 bis 3 Jahre, zuweilen erreicht es diess in einer weit kürzern Periode.

Ausser dieser Steigung besitzt Henriquillo noch eine andre Merkwürdigkeit, nämlich eine partiale Anschwellung, welche sich nicht über die ganze Oberfläche des Sees erstreckt, und sich jetzt auf der nordwestlichen, zu einer andern Zeit vielleicht auf der südöstlichen Seite zeigt. Diese Nachrichten erhielt ich vom Vicar-General, dem Padre Elias, Coadjutor des Erzbischoffs, einem Manne von bedeutenden Kenntnissen (Jesuit) welcher lange Zeit in der Nähe des Sees gewohnt hat. Noch vieles andere wäre über den See zu berichten.

Nur noch einiges über die Bestimmung der Länge der Hauptstadt Santo Domingo, wo der katholische Glaube die erste Cathedrale der neuen Welt erbaute! Diese Bestimmung beruht auf chronometrischen Distanzen zwischen Port Royal in Jamaica und dem Ankerplatz für Kriegsschiffe in der Rhede von Santo Domingo. Sie ist auf 6 Chronometer gestüzt, welche vorher in Port Royal regulirt waren. Der | 15Ankerplatz war diesen Abständen gemäss in 69° 51′ 12″ W. v. Gr., welches auf meine Residenz reducirt 69° 52′ 12″ = 72 14 35 auf Paris reducirt. Die bisherigen Beobachtungen gaben 72° 19′ 52″ (Oltmanns)        A. v. Humb.1)), für den Flaggenstock auf meinem Hause (British Consulat) gibt.

Die Reise zwischen Port Royal und Santo Domingo, wurde im Königl. Kriegsdampfer Vixen in 3½ Tagen zurückgelegt. Ferner ist auch die Bestimmung dieser Distanz durch das königliche Dampfschiff Helena, und jener zwischen Havanna und Santo Domingo durch den französischen Kriegsdampfer Crocodile in Betracht gezogen worden.

Unsere Aussichten hinsichtlich des Friedens sind noch sehr trübe. Faustin I. Kaiser von Hayti hat der dominicanischen Republik Vernichtung gedroht. Er hat 40,000 Mann Truppen gesammelt, um dieses kleine Land, das nur eine Bevölkerung von 230000 Seelen besitzt, mit Feuer und Schwert zu verheeren und hat gedroht, weder Alter, noch Geschlecht, selbst das Kind im Mutterleibe nicht zu schonen. Dennoch ist Hoffnung vorhanden, dass die kleine Schaar Dominicaner um Ihren Heerd, ihre Familien zu vertheidigen, vierfache Stärke in ihrer Armee besitzt. Der Libertador, General Santana, schlug voriges Jahr mit 606 Dominicanern die haytianische Armee unter Soulouquès (jetzt Kaiser Faustin) eigenem Befehl, und es wird dem Löwen von Seybo (wie Santana hier genannt wird) wohl wieder gelingen, mit einer ähnlich verhältnissmässig geringen Zahl dasselbe zu vollbringen.

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Zitierhinweis

Robert Hermann Schomburgk an Alexander von Humboldt. Santo Domingo, 5. Februar 1850, hg. v. Ulrich Päßler unter Mitarbeit von Anne Greenwood MacKinney und Christian Thomas. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0019598


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