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Euer Excellenz,        

Ihrem Wunsche gemäß erlaube ich mir hiermit Ihnen einige Andeutungen über die geographische Verbreitung einzelner in Guiana vorkommender Pflanzenfamilien und Pflanzenarten, wie auch über die allerdings auffallend weite Verbreitung einer Ente zu übersenden.

Unter meinen in Britisch-Guiana gesammelten und in 406 Species bestehenden Vögeln ist es nur die kleine, niedliche Anas viduata Linné , die nicht nur über Südamerika, sondern selbst über einen Theil von Ostafrika verbreitet ist. In Britisch-Guiana war sie an der unmittelbaren Küste durchaus unbekannt und trat erst  Statute Mile: Längenmaß (Großbritannien), 300 Statute Mile entsprechen 482,80 km300 Miles landeinwärts auf den | 1vSümpfen der großen Savannen des Rupununi, Takutu und Rio Branco auf. Da wir sie auf den Savannenflüssen seltener, auf den Sümpfen dagegen in an das Unglaubliche grenzenden Schaaren fanden, so scheinen diese letzteren offenbar ihr Lieblingsaufenthalt zu sein. Doctor Peters, der afrikanische Reisende, hat sie, wie ich bereits mündlich gegen Euer Excellenz erwähnte, kürzlich aus dem östlichen Theil Afrika’s, aus Mozambique, eingesandt. Auch dort scheint sie nicht unmittelbar an der Küste sondern ebenfalls mehr im Innern vorzukommen, indem die eingeschickten Exemplare mit Tete als Fundort bezeichnet sind.

Schon Prinz Maximilian von Neuwied erwähnt in seinen Beiträgen zur Naturgeschichte von Brasilien, B. III, Erste Abtheilung pagina 47, daß diese Ente in Südamerika und Afrika zugleich heimisch sein müsse, da er ein Exemplar vom Senegal besitze. Doctor Peters hat diese Vermuthung bestätigt.

 Die folgenden Ausführungen des Briefes finden sich fast wörtlich in Richard Schomburgks „Versuch einer Fauna und Flora von Britisch-Guiana“ (Schomburgk, R. H. 1847–1848, III), 792–794.

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Unter meinen in Britisch-Guiana gesammelten Pflanzen sind es einige Gräser, die entweder zugleich auch an der Westküste Africa’s oder in Europa heimisch sind.
Da diese jedoch in Britisch-Guiana immer nur an der Küste auftreten, so dürfte sich allerdings | 2rnicht mit Sicherheit behaupten lassen, ob sie Guiana wirklich eigenthümlich oder nur als eingeführt zu betrachten sind. Letzteres macht aber namentlich der Umstand wahrscheinlich, daß nicht nur unsere Cerealien, sondern auch große Quantitäten Heu aus Europa nach Britisch-Guiana gebracht werden, wodurch sich zugleich eine bedeutende Menge europäischer Unkräuter mit eingebürgert, von denen ich nur Solanum nigrum erwähne. Eine gleiche Wahrscheinlichkeit der Einbürgerung afrikanischer Gräser dürfte in der bereits seit vielen Jahren bestehenden Uebersiedlung von Emigranten aus Sierra Leona und der dadurch vermittelten, lebhaften Communication gegeben sein, so daß es für eine spätere Zeit schwer fallen dürfte aus dem Auftreten phänerogamischer Gewächse in zwei verschiedenen Welttheilen zu entscheiden, ob sie in diesem oder jenem heimisch, oder sich nur durch irgend welchen zufälligen Umstand eingebürgert haben. Die Küste Guiana’s bietet ein wahres Quodlibet von europäischen, asiatischen, afrikanischen und neuholländischen Pflanzen, die ganz den Habitus heimischer Bürger angenommen haben.

| 2vMerkwürdig dagegen ist die ungemein weite Verbreitung einiger Cryptogamen und aus diesen besonders der Lycopodien. Daß bei ihnen alle jene Zweifel, welche bei Phänerogamen aufsteigen konnten, verschwinden, geht schon aus dem Erfahrungssatz hervor, daß es bis jetzt noch nirgends gelungen ist dieselben aus Sporen zu ziehen, so viel Mühe, Sorgfalt und Umsicht auch darauf verwandt wurde.

Diejenigen Arten dieser Gattung, welche gleichzeitig nur auf den afrikanischen Inseln, auf der Gruppe der Marianen, der Philippinen und im Innern von Java vorkommen, sind unberücksichtigt geblieben:

Lycopodium Selago Linné

1) In Europa, 2) in dem nördlichen, alpinen Asien, 3) auf den Azoren, 4) Nordamerika, 5) Peruvia, 6) dem antarctischen Amerika, 7) van Diemens-Land.

Lycopodium Saururus Lamarck (Lycopodium crassum Humboldt Bonpland)

1) Auf den ostafrikanischen Inseln, 2) auf dem columbischen Archipel, 3) Peruvia, 4) Buenos-Ayres.

Lycopodium verticillatum Linné

1) Auf den ostafrikanischen Inseln, 2) auf dem columbischen Archipel, 3) in Mexico, 4) Brasilien, 5) Quito, 6) auf | 3rden Sandwichsinseln.

Lycopodium cernuum Linné

1) Auf den Azoren, 2) auf den Inseln des aethiopischen Meeres, 3) im südlichen Afrika, 4) auf den ostafrikanischen Inseln, 5) der ostindischen Halbinsel, 6) der indo-chinesischen Halbinsel, 7) in Sina, 8) auf den Philippinen, 9) den marianischen Inseln, 10) Java, 11) den Molluccen, 12) Neu-Caledonia, 13) den Gesellschaftsinseln, 14) den Sandwichsinseln, 15) Mexico, 16) dem columbischen Archipel, 17) in ganz Guiana, 18) in Columbien, 19) in Peruvia, 20) Chili, 21) Brasilien.

Lycopodium clavatum Linné

1) In Europa, 2) im nördlichen Asien, 3) in den südlicheren Theilen Afrika’s und auf den anliegenden östlichen Inseln, 4) im östlichen Indien, 5) auf Java, 6) Japan, 7) an der Westküste Nordamerika’s, 8) in dem nordamerikanischen Continent, 9) auf der Insel Terra Nova, 10) in Mexico, 11) Columbien, 12) Peruvia, 13) Brasilien.

Lycopodium trichiatum Bory.

1) Auf der Insel Bourbon, 2) in Mexico, 3) Peruvia, 4) Brasilien.

Lycopodium carolinianum Linn.

| 3v1) In Nordamerika, 2) auf dem columbischen Archipel, 3) Guiana, 4) Brasilien, 5) auf dem Cap der guten Hoffnung, 6) ostafrikanischen Inseln.

Auch die nachstehende von Lycopodium generisch getrennte Pflanze: Selaginella rupestris Spring (Lycopodium rupestre Linné ) wurde nicht allein von Graf Struensee in Nordamerika, von Doktor Aschenborn in Mexico, von Moritz in Columbien, von Ruiz und Dombey in Peru, von Sellow in Brasilien, von mir in Guiana, von Wight auf Madras, sondern von Doktor Peters auch in Mozambique gesammelt. Herr Doktor Klotzsch, der die vom Mozambique gesendete Pflanze gleich als Selaginella rupestris erkannte, war durch diese weite Verbreitung doch so überrascht, daß er sie an Professor Kuntze nach Leipzig zur Beurtheilung schickte, der sie jedoch ebenfalls für Selaginella rupestris erklärt hat.

Eine gleiche ungemein weite Verbreitung besitzt auch das Ophioglossum nudicaule Linné filius, da es sowohl in Brasilien, Britisch-Guiana, wie auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung vorkommt.

Ich erlaube mir, Eure Excellenz in den | 4r Vgl. Schomburgk, R. H. 1847–1848, Bd. 3, Kap. VII, 235–279.

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Aushängebogen den Theil meiner Reise zur freundlichen Ansicht beizulegen, der die Besteigung des in botanischer und geologischer Hinsicht so merkwürdigen Roraima in sich begreift
, da er gewiß manche interessante pflanzengeographische Notiz enthalten möchte.

Ich habe die Ehre mich zu unterzeichnen als
Euer Excellenz
        unterthänigster
Richard Schomburgk
.

Berlin den 9ten September 1847.

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Anmerkung des Empfängers am unteren Rand und am rechten Rand Richard Schomburgk Géographie des plantes über phanérogames d’Afrique en Amérique wird alles citirt (Perrotet) Examen critique II page 77

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Zitierhinweis

Richard Schomburgk an Alexander von Humboldt. Berlin, 9. September 1847, hg. v. Ulrich Päßler unter Mitarbeit von Anne Greenwood MacKinney und Christian Thomas. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0019588


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