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Euere Exzellenz!

Wir hatten von Agra aus die Ehre einen ausführlicheren Bericht über den Fortgang unserer Reise an Seine Majestät den König abzusenden. Wir waren in Agra so sehr mit Geschäften überhäuft, daß wir uns damals das Vergnügen versagen mußten mit der eben abgesandten Post einige Zeilen an Euere Exzellenz zu senden.

Wir verließen Muhsoorie am 9. November, blieben einige Tage in Dehra am Fuße des Gebirges und gingen von hier über Rurki,  Der Bau eines Kanalsystems in den Jahren 1848–1854 diente der Bewässerung der Region zwischen den Flüssen Ganges und Yamuna. Vgl. Vernon-Harcourt 2015, 439.

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wo der große Gangescanal uns manche gute Durchschnitte zu geologischen Beobachtungen darbot
, nach Agra. Wir verließen Agra am 29sten November um während der kalten Jahreszeit unsere Beobachtungen in den Gebirgszügen von Central- Indien fortzusetzen. Wie im vergangenen Jahre haben wir wieder Camele zum Transport der Zelte und des Gepäckes genom̅en, die großenteils Nachts vorausmaschieren, während wir selbst zu Pferde von Morgens 4 Uhr bis gegen 10 und 11 Uhr nach reiten. | 209vEs wird uns auf diese Weise möglich häufig  Statute Mile: Längenmaß (Großbritannien), 20 Statute Mile entsprechen 32,19 km20 und  Statute Mile: Längenmaß (Großbritannien), 27 Statute Mile entsprechen 43,45 km27 englische Meilen in einem Tage zu machen, eine bei der indischen Art zu reisen, ziemlich bedeutende Distanz.

In diesem Theile von Indien kann man wirklich von einer kalten Jahreszeit sprechen; die Nächte und Morgen bei +6 bis 7° Celsius sind in der That kühl; Mittags bei 24 bis 28° Celsius im Schatten wird die indische Sonne kräftig genug, um den Europäer, der sich zu viel im Freien bewegt, daran zu erinnern, daß er sich in einem fremden, tropischen Clima befindet. Mein Bruder Robert und ich trafen im beßten Wohlsein am 7. December in C̡hia͡nsi ein. Wir fanden unterwegs manche geologische Erscheinungen, die uns durch ihre große Ähnlichkeit mit den Verhältnissen in Süd-Indien sehr überraschten. In beiden Fällen tritt eine ausgedehnte Granitformation mit zahlreichen Granitkuppen von concentrisch-schaliger Absonderung auf; rings um diese Granitplateaus breiten sich horizontale Sandsteinlagen aus; das Material zu ihrer Bildung wurde deutlich durch die Zersetzung des Granites geliefert; diese horizontal liegende Sandsteine sind sowohl  
Große Ansicht (Digilib)

Bildnachweis

Bildbeschreibung Humboldts Schnittdarstellung der Gesteinsschichten bei Bundelkhand nach den brieflichen Angaben von Adolph Schlagintweit [Schließen]
   
| 210rhier in Bundelcund als in Südindien das diamantenführende Gestein, und in beiden Localitäten ruhen sie in übergreifender Lagerung auf (gestörten) und gehobenen Mergelschiefern, die letzteren gehören, wie ich zu glauben viele Ursache habe, zur Juraformation. Wir werden Gelegenheit haben im Laufe dieses Winters die Verarbeitung dieser Gesteine, ebenso wie die Lagerungsverhältnisse einer sehr wahrscheinlich tertiären Kohlenbildung von großer Ausdehnung, welche die Diamantensandsteine überlagert, näher zu verfolgen.

Wir hoffen bis ungefähr 15. December die Station Sager zu erreichen; von dort aus werden mein Bruder Robert und ich verschiedene Wege verfolgen. Robert beabsichtiget von Sager über Hosungabad nach Baitul zu gehen um ein Profil der Satpura Berge am Südufer der Nerbudda zu erhalten, von dort wird er nach Jubulpoor und nach dem kleinen Plateau von Umercuntuk gehen, welches die Central Wasserscheide zwischen der Nerbudda und Sone bildet, und dan̅ nach Agra zurückkehren. Ich selbst gehe | 210vdirect nach Jubulpoor und Nagpoor und von da noch etwas südlicher in die Richtung gegen Hyderabad im Deccan.

Ich erlaube mir zum Schlusse Sie noch mit einer Bitte zu belästigen. Es wäre uns besonders für die Beobachtungen im Himalaya und in Tibet von sehr großem Nutzen wenn wir 3 kleine gut getheilte Theodoliten aus Berlin erhalten könnten. Wir besitzen zwei große Theodoliten von Ertel und von Pistor , die uns an allen größeren Stationen vortreffliche Dienste leisten; aber sie sind etwas zu groß um im Gebirge, wo wegen vorüberziehender Wolken oft große Eile nöthig ist, so häufig aufgestellt und abgelesen zu werden, als wir wünschen würden. Wir fanden es mitunter sehr schwer ohne Zeitverlust ein größeres Instrument auf hohe Gletscherpäße herauf- zuschaffen, und in Tibbet, wo wir um | 211rdem Mißtrauen der chinesischen Behörden zu entgehen öfter sehr rasch und mit möglichst wenig Gepäck reisen muß, ist es bei manchen Excursionen ganz unmöglich andere als sehr compendische Instrumente mitzunehmen. Die kleineren englischen Theodoliten, welche wir uns hier in Indien zu verschaffen suchten, sind wirklich schlecht und von verhältnißmäßig sehr grober Theilung, und von der ostindischen Compagnie können wir jetzt, nach den großen Auslagen die sie für unsere Instrumente gehabt hat, wie wir kürzlich erfahren haben, auf keinen Fall mehr neue kleinere Theodoliten erhalten. Euer Excellenz würden uns daher in der That einen sehr großen Dienst erweisen, wenn Sie bei dem Könige die Erlaubniß zur Absendung der Instrumente von Berlin aus für uns mit Ihrer gewohnten Güte, erhalten könnten. Ich habe mir erlaubt, ein Blatt mit einigen Bemerkungen über die Theodoliten für den Mechaniker diesem Briefe beizufügen.

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Die deutschen Theodoliten sind jetzt weit besser getheilt als die englischen, ich glaube Pistor, oder Repsold oder Andere werden wohl kleine Theodoliten ungefähr von der gewünschten Größe und Construction vorräthig haben; auf die Anfertigung neuer Instrumente zu warten, würde wie ich fürchte, bei der leider zu allgemeinen Langsamkeit mechanischer Institute zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Ich fürchte Eure Excellenz werden mich in der That sehr unbescheiden finden[,] wenn ich mir erlaube zu bemerken, daß uns die Instrumente doppelt werthvoll wären, wenn wir sie möglichst rasch erhalten könnten, um sie noch im nächsten Som̅er im Himalaya benützen zu kön̅en. Wir würden bitten dieselben über Triest per Overland Mail nach Bombay zu senden; sie brauchen von Berlin aus auf diesem Wege circa 5 Wochen bis Bombay, von wo sie in 9–14 Tagen | 212r nach Simla kom̅en. Wenn vielleicht Herr Profeßor Enke die große Güte haben wollte die Instrumente sobald als möglich auszuwählen und sogleich verpacken und absenden zu lassen, so könnten sie noch ganz gut bis Anfang Mai oder Ende April in Simla eintreffen. Sie würden gewiß im Himalaya nicht unbenutzt bleiben. Ich erlaube mir ferner noch um 3 kleine Taschensextanten (vielleicht französische oder englische wen̅ in Berlin keine vorräthig sein sollten,) zu bitten; sie wären uns von höchstem Nutzen; wir besitzen jetzt gar keinen; ein englischer, den wir hatten, ging leider durch das Erstürzen(?) des Trägers während der zweiten tibbetanischen Reise ganz zu Grunde.

Unser Bruder Hermann befindet sich jetzt in Ober Assam;

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Ich verbleibe in größter Verehrung und Dankbarkeit Euer Exzellenz ganz ergebenster Adolph Schlagintweit

Sangor 15. December 1855

Anmerkung (am unteren Rand) Sangor? page 3 steht Sager

| 213rTheodoliten

Die wünschenswertheste Größe wäre ungefähr für 2 Theodoliten ein Durchmesser der getheilten Kreise von etwa 13 bis 14 Centimeter; der dritte dürfte etwas kleiner sein, circa 10 Centimeter Durchmesser (um unter allen Umständen leicht transportirt werden zu können). Der VerticalKreis sollte ebenfalls ein ganzer Kreis sein für Sum̅enbeobachtungen und so weiter. Die Transportabilität würde sehr erleichtert, wen̅ der Höhen-Abstand von dem Horizontal- zum VerticalKreise möglichst klein wäre, und wenn das Fernrohr für die Verpackung etwas stark in einander geschoben werden könnte. Eine möglichst solide Verbindung des Vertical- mit dem HorizontalKreise, gute Befestigung der Niveaus und so weiter wäre bei dem starken Schütteln der Instrumente auf Camelen und Packpferden sehr wünschenswerth. Eine sehr compacte und feste Verpackung in guten Holzkisten würde die Brauchbarkeit der Instrumente für unsere Reisen wesentlich erhöhen; der Holzkasten und alle Holzvor- sprünge im Innern sollten mit Schrauben befestiget sein, da der bloße Leim in einem heißem Clima nicht dauernd hält. Über den Holzkasten bitten wir einen festen Lederüberzug mit Schnallen machen zu lassen, mit 2 Trageriemen um von einem Man̅e auf dem Rücken getragen zu werden. Ich erlaube mir für den Mechaniker noch an 2–3 Son̅engläser, Prisma, Beleuchtungsapparat | 213v für die Fäden bei Nachtbeobachtungen, Schraubenzieher und Stift zum Niveaucorrigiren, Pinsel zu Entfernung des Staubes und so weiter zu erinnern. Ich glaube daß Loupen und eine gute Verniertheilung einer Ablesung durch Microscope mit Trom̅eln vorzuziehen wären, da die letztere bei so kleinen Instrumenten etwas zu zeitraubend ist.

Wenn der Mechaniker vielleicht eine kleine Notiz über etwaige Eigenthümlichkeiten in der Construction der Instrumente oder in der Art und Weise der Correctionsschrauben für die Niveaus hinzufügen könnte, so werde es uns vielleicht von Nutzen sein. Es wäre vorteilhaft, wen̅ an dem Theodoliten eine Magnetnadel angebracht wäre zur schnelleren Orientation?

Wir bitten für jeden der 3 kleinen Theodoliten einen eigenen Stand beizufügen, der fest aber nicht zu schwer sein sollte. Ich glaube es wäre am zweckmässigsten wen̅ die 3 Füsse des Standes sich zusam̅enklappen liessen, und wen̅ oben auf eine feste Schraube sich ein mit 3 Rin̅en versehenes Brett aufschrauben liesse; wen̅ möglich würden wir bitten an dem Stande kein Eisen sondern nur Messing anwenden zu lassen; es könnte dan̅ zugleich zur Aufstellung von magnetischen Instrumenten, prismatischem Compaß und so weiter benützt werden.

| 214rTaschensextanten

3 gute Taschensextanten (Snuff Box oder Pocket Sextant) wären uns zu manchen Messungen die zur Erläuterung geologischer Profile dienen, bei welchen nicht die letzten Genauigkeit erfordert ist, aber Zeitersparniß von großer Wichtigkeit ist, sehr nützlich. Wir erlauben uns zu bemerken:

1) Der Kreis sollte wirklich bis 180° (90° jede Seite) getheilt und ablesbar sein, was für rasche und häufig wiederholte Son̅enbeobachtungen an wichtigeren Zwischenstationen sehr nützlich ist; Son̅engläser und kleines Fernrohr mit Son̅englas nöthig.

2) (Wen̅) 2 kleine Niveaus, das eine für horizontale, das zweite für verticale Stellung des Taschensextanten angebracht wären, so könnten den Sextanten für geologische Zwecke zu raschen Winkelmessungen und Absteckung von Horizontalen sehr vortheilhaft benützt werden.

3) An den Deckel des Sextanten bitten wir eine Schraube anpaßen zu lassen mit einem Kniegelenke, welches sowohl in horizontaler als verticaler | 214v Richtung beweglich sein sollte. Diese Schraube könnte dan̅, sobald die Niveaus benützt werden sollen, in das Holz irgend eines unserer Stände eingeschraubt werden.

4) 3 kleine künstliche Horizonte aus schwarzem Glas von circa 8 Centimeter Durchmesser bitten von den Sextanten beizupacken.

Adresse. Adolphe Schlagintweit Esquire In Charge Magnetic Survey of India at Bombay Care of August Huschke & Company the Consul for Hamburgh at Bombay. Fort Anmerkung des Autors (am linken Rand) Glass Great care

Per Overland Mail, via Triest. Die Overland Mail ist bei weitem der rascheste Weg, um das Cap brauchen die Instrumente 4 Monate länger. Adresse in Kiste sehr deutlich einzuschneiden und anzumalen. Sehr feste Verpackung in gute Kiste mit leichten Eisenreifen nöthig; da die Kisten für die Overland Mail nicht zu groß sein dürfen, wäre eine Verpackung säm̅tlicher Instrumente in 2 Kisten sehr vortheilhaft. Ein Agent in Triest wird nöthig sein, da erst von Alexandria aus die Overland Mail das Gepäckstück in Empfang nim̅t. Eine Declaration mit Angabe des Werthes und eine Versicherung dem Werthe entsprechend, wird die Sicherheit des Transportes sehr befördern.

Die Erstellung der Datenbestände der edition humboldt digital ist ein fortlaufender Prozess. Umfang und Genauigkeit der Daten wachsen mit dem Voranschreiten des Vorhabens. Ergänzungen, Berichtigungen und Fehlermeldungen werden dankbar entgegengenommen. Bitte schreiben Sie an edition-humboldt@bbaw.de.

Zitierhinweis

Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt. Sangor, 15. Dezember 1855, hg. v. Moritz von Brescius, Linda Martin und Ulrich Päßler unter Mitarbeit von Dominik Erdmann. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0019130


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