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Verehrteste Excellenz!Sie werden wahrscheinlich vor einigen Wochen durch meinen Bruder Herman̅ aus Calcutta
einen kurzen Kommentar Linda Martin
Im angegebenen Zeitraum ist lediglich
ein Schreiben Hermann Schlagintweits an Alexander von Humboldt aus
Darjeeling (24. April 1855), bekannt.
[Schließen]Bericht über unsere Beobachtungen im südlichen Indien auf der Reise von Bombay
nach Madras erhalten haben. Wir waren in Calcutta mit dem Packen unserer Instrumente und mit den Vorbereitungen für
eine längere Landreise so sehr beschäftigt, daß ich unmöglich Zeit
fand vor unserer Abreise aus Calcutta
wie ich gewünscht hätte, einige Zeilen an Sie zu senden. Mein Bruder
Robert
und ich beabsichtigen, wie Sie wissen, nach Nepal zu gehen; wir hörten jedoch in Patna daß theilweise auch wegen Kommentar Linda Martin
Zwischen 1855 und 1856 kam es entlang
der Grenze zwischen Nepal und
Tibet zu kriegerischen
Auseinandersetzungen. Vgl. Schlagintweit et al. 1884, 407.
[Schließen]der Grenzstreitigkeiten, die gegenwärtig zwischen den
Nepalesen u. Tibetanern stattfinden, für diesen Som̅er durchaus keine Hoffnung vorhanden sei, daß
die Nepalesische Regierung uns
gestatten würde, uns von Kathmandu in
das Innere des Landes zu begeben. Wir beschlossen daher weiter
westlich nach Kemaon zu gehen. Wir
hatten Calcutta am 25sten März
verlassen und kamen Mitte April in Nainy Tal an, einer hübschen englischen Station in der
Vorkette des Himalaya
bei circa Foot: Fuß (Großbritannien), 6.400 Foot entsprechen 1,95 km6400′ Englischen
Fuß etwas südlich von Almorah. | 77vVon der Hitze des April, die
gewöhnlicher in den Ebenen Bengals
sehr groß ist, hatten wir verhältnißmäßig nur wenig gelitten, da
dieses Jahr ungewöhnlich kühl war (nämlich kühl im bengalischen Sin̅e für den
Monat April, wobei das Thermometer Mittags stets 30° Celsius, wahrscheinlich 33° und oft 36–37° Celsius
Anmerkung des Empfängers
(am rechten Rand)
Réaumur: Temperaturmaß, 28,8 Réaumur entsprechen 36,00 °C28.8– Réaumur: Temperaturmaß, 29,6 Réaumur entsprechen 37,00 °C29.6
Réaumurstand.) Aber wir fanden die Hitze in der
That mit einiger Vorsicht, weit weniger unangenehm und
weniger störend für Beobachtungen als ich
früher gefürchtet hatte. Von Nainy
Tal aus machten wir verschiedene sehr interessante
geologische Excursionen in den Vorketten des Himalaya, die hier aus neueren(?)
Schichten mit Foraminiferen
und
Fucoiden bestehen, die mit alpinen Schichten
die größte Ähnlichkeit haben.
Wir wohnten je 3 Tage auf 2 der höchsten Punkte, der Vorkette des
Himalaya, auf dem Chínur Pick (circa
Foot: Fuß (Großbritannien), 8.700 Foot entsprechen 2,65 km8700 Englische
Fuß) und dem Loeria Kanta (circa
Foot: Fuß (Großbritannien), 8.200 Foot entsprechen 2,50 km8200′) von wo aus wir
einen ungemein schönen und belehrenden Überblick des Himalaya von den Nepalesischen Ketten an über Nanda
Devi, Trisool, Niti,
Badrinath
bis über Gangotri hinaus
genossen. Wir versuchten mehrere Zeichnungen dieser prachtvollen
Himalaya Picks zu machen, und wir massen zu verschiedenen Malen mit unserem vortrefflichen
Pistorschen Theodoliten den
Horizontal- und Höhenwinkel aller wichtigen Punkte. Wir erhielten hier einen sehr
guten | 78rallgemeinen Überblick über die Orographie dieses
Theils des Himalaya. Der Com̅issioner Mister
Batten (dessen Sie
sich wahrscheinlich von Kommentar Ulrich Päßler
Prinz
Waldemar von Preußen bereiste von 1844 bis 1846 Indien,
wo er als Kriegsbeobachter auf britischer Seite am Ersten Sikh-Krieg
teilnahm. Im Gefolge Waldemars
reisten unter anderem der Hauptmann im Generalstab Eduard von Oriola sowie – auf Empfehlung
Humboldts – der Arzt und
Naturforscher Werner Friedrich
Hoffmeister. Humboldt verfasste ein Vorwort zum
Prachtwerk Zur Erinnerung an die Reise des Prinzen
Waldemar von Preußen nach Indien 1844–1846 (Mahlmann/Oriola 1853, I,
ii–v).
[Schließen]Prinz Waldemar’s Reise her erin̅ern werden) und
Captain
Ramsay, welche mit der Topography
von Kemaon sehr vertraut vertraut
sind, unterstützten uns bei mehreren Beobachtungen auf die zuvorkom̅endste
Weise. Eine große Eigenthümlichkeit ist, daß sich die höchste Kette, oder
vielmehr die höchsten von Ost nach West fortziehenden Gruppen, da sie überall durch tiefe Thaleinschnitte
getrennt sind, mauerartig sehr plötzlich über die niederen
Nordketten erheben. Es verleiht dieses dem Himalaya gegenüber den Alpen einen ganz eigenthümlichen Character. Wir haben noch
zu wenig vom Himalaya gesehen, um
einen Vergleich mit den Alpen zu
wagen; überraschend schön ist jedenfalls hier die Vegetation; die schönen
Eichen am Chínur
und das frische üppige Grün aller Laubbäume an den Abhängen sind
sicher in den Alpen nirgend schöner zu
finden; die Rhododendron Bäume, die gerade als
wir hieher kamen voll rother Blüthen hingen, verleihen der Landschaft einen ganz eigenthümlichen,
reichen Character. Wir haben vor einigen Tagen 70 Coolies (Lastträger)
mit unseren Instrumenten, Zelten und so weiter nach Almorah
vorangesandt; Robert ist heute Morgen
abgegangen, ich werde morgen nachfolgen. Wir werden von hier zunächst
auf 2 verschiedenen Wegen nach Milum einem Dorfe der Kommentar Linda Martin
Bezeichnung für eine in Sikkim lebende Bevölkerungsgruppe.
[Schließen]Bhootias am Ostfuße | 78vder Nanda
Devi Gruppe gehen. Mein Bruder Robert
geht mit dem größeren Theile der Coolies auf dem directeren Wege; ich
selbst werde zunächst die Gletscher am Ursprung des Pindur Stromes besuchen und dort den Südfuß des Nanda Devi
und
Nanda Kot untersuchen, und von da
östlich in das Thal von Milum (circa
Foot: Fuß (Großbritannien), 11.400 Foot entsprechen 3,47 km11400 Englische
Fuß) einbiegen. Wir werden in Milum etwa 14 Tage uns aufhalten und von da nur mit dem nöthigsten Geräth versehen nach Tibet gehen; in Tibet wird die Ausdehnung unserer Reise sehr von den Umständen und von dem Zusam̅entreffen mit den Eingeborenen abhängen; wir
haben vor dort uns westlich zu wenden und
über den Managhaut nach Badrinath zurückzu kom̅en; von hier gehen wir nach Gangotri
und dan̅ auf 2 verschiedenen Wegen nach Simlah, wo wir Mitte October anzukom̅en hoffen. Durch das
gütige Interesse, welches Mister
Colvin, der Lieutenant Governor der NordWest
Provinzen
an unseren Beobachtungen nim̅t, werden wir in den Stand gesetzt
werden, sehr zuverläßige correspondirende Barometer-Beobachtungen mit guten Instrumenten sowohl hier in Nainy Tal als in Agra
| 79r zu erhalten.
Von meinem Bruder Hermann der sich wie Sie wissen in Darjeeling befindet, kann ich Ihnen keine neueren Nachrichten mittheilen. Er befindet sich, eben so wie wir beide, fortwährend sehr wohl und hat wie er uns schrieb in Sikkim reichen Stoff für seine Beobachtungen gefunden.
Wir werden uns erlauben Ihnen zu schreiben sobald wir in Milum angelangt sein werden. Mein
Bruder Robert, der sich Ihnen nochmal
empfehlen läßt, wird dan̅ im Stande sein Ihnen Kommentar Ulrich Päßler
Die Sammlung der Fotografien umfasst
ethnographische und topographische Motive. Vgl. Jarvis 2015, 161.
[Schließen]eine kleine Sam̅lung von Photographien aus dem Himalaya zu senden, welche er hier bereits mit ziemlichem Erfolge begon̅en
hat.
Nainy Thal in Kumaon 17. Mai 1855.
Seiner ExcellenzBaron von Humboldt
et cetera et cetera et cetera
Anmerkung des Autors (am rechten Rand) verte.
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Post Scriptum Wir ersuchen Euer Excellenz uns Herrn von Olfers, dessen freundlichen Brief wir in Calcutta empfingen, Graf Dönhoff ebenso wie Herren Professoren Ritter, Ehrenberg, Heinrich Rose, Gustav Rose, Weiss, Poggendorf und so weiter und so weiter vielmal zu empfehlen.
Wir ersuchen Sie speciell uns bei Herrn von Savigny und Herrn von Malzen in Erin̅erung zu bringen.
Die Erstellung der Datenbestände der edition humboldt digital ist ein fortlaufender Prozess. Umfang und Genauigkeit der Daten wachsen mit dem Voranschreiten des Vorhabens. Ergänzungen, Berichtigungen und Fehlermeldungen werden dankbar entgegengenommen. Bitte schreiben Sie an edition-humboldt@bbaw.de.
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