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Dienstag den 7 Juni 1853.

Da ich in der lezten Zeit mich eigenthümlich anregende Erlebnisse gehabt und Beobachtungen vollendet habe, so lege ich Ihnen dieselben in einigen Worten vor.

Ich fange damit freudig an, Ihnen zu melden, daß es endlich doch dahin gekommen ist, daß Voss in Leipzig mein neuestes Uebersichts Werk des mikroskopischen Lebens zu Michaelis so weit es fertig ist herauszugeben bereit ist. Der Text des ersten Theiles (94 Bogen) Süd Pol, Australien, Asien, Africa und Süd America wird mit Centro-America und Mexico einschließlich | 1vabschließen. Dazu werden sämtliche 40 Kupfertafeln mit ebensoviel Erklärungs Blättern besonderem Titel und Vorwort als abgeschlossenes Ganzes gegeben. Ich habe mich schriftlich verbindlich gemacht bis zum October dieses Jahres alles dazu abzuschließen und Voss hat sich verbindlich gemacht das Ganze in meinem Sinne ohne Rücksicht auf die Bogenzahl gleichzeitig zu Ende zu führen. Großen Gewinn habe ich nicht, aber ich freue mich das Werk zu vollenden. Voss war vor einigen Tagen hier.

Nun gehe ich zu dem Anderen über. Ich habe seit einiger Zeit schon die mikroskopischen Verhältnisse Europas zu redigiren | 2rund zu vervollständigen gesucht. Dabey habe ich die mir von den fleißigen DD Schlagintweit zugetragenen Stein und Erd Proben von den höchsten Gipfeln der Central Alpen und auch der kleineren baierischen Alpen weiter überarbeitet. Das Resultat war mir nicht unerwartet, aber doch überraschend an Fülle des Lebens in 10468, 11770, 12158 und am Monte Rosa in 14284 Fuß Höhe, was ja den Höhen unterm Aequator von 21000, 23000, 24000 und 28000 Fuß entspricht. In diesen Höhen leben zahllose stationäre Thierchen. Ich zähle bis heut 96 Arten von Formen, 45 Polygastren, 29 Phytolitharien, 5 Bärenthierchen, 4 Räderthierchen, 2 Anguilullae, 9 weiche Pflanzentheile von Fichten und Dicotylen, 2 Crystalle.

Mehrere Formen sind so neu und eigen wie Soldanella alpina, Primula minima und Gnaphalium Leontopodium oder wie | 2vdie Opuntia Ovallei in Chile seyn mag. Sie kommen nicht herab, man muß hinauf zu ihnen. Besonders sind Bärenthierchen und Räderthierchen eigenthümlich neu. Von Verkümmerung ist da nichts zu sehen. Es ist ein kleines frisches kräftiges reiches Leben trotz der geringen Jahres Wärme.

Das Auffallendste zum Schluß. Heut noch habe ich aus Schlagintweits 1852 mitgebrachten Moosen vom Weißthor Paß am Monte Rosa (11138 Fuß) wiederbelebte Bärenthierchen und Räderthiere all der neuen Arten in übergroßer Zahl. Alle sind satt und dick, unter 100 mochten 70 bis 80 todt geblieben seyn, ¼ ist nie todt gewesen, ist am Leben geblieben und satt und dick. Die mageren nicht recht kräftigen schienen alle zu sterben.

Wenn es Ihre Zeit erlaubt erbiethe ich mich Ihnen dieses unzweyfelhaft animalische Leben aus 11138 Fuß Höhe zur Ansicht zu bringen und bitte um Bestimmung einer Zeit in diesen Tagen. Ich habe bereits es der Akademie vorgelegt.

Verehrungsvollst Ihr herzlich ergebenster Ehrenberg.

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Anmerkung des Autors () Atmosphäre Infusorien auf 11600 Fuß Höhe lezter Ehrenberg Juni 1853

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Zitierhinweis

Christian Gottfried Ehrenberg an Alexander von Humboldt. [Berlin], 7. Juni 1853, hg. v. Anette Wendt unter Mitarbeit von Eberhard Knobloch. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 5 vom 11.09.2019. URL: https://edition-humboldt.de/v5/H0016563


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