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30/10 1848
Wie beziehungsreich doch immer von
Neuem meine anspruchslosen Studien
sind!
Ich scheue mich fast Ihnen schon
wieder Neues zu melden und doch sind
es
Thatsachen, die anschaulich vorliegen,
mit ein klein Wenig Reminiscenz und
Combination, wunderbar mich erre-
gende
Thatsachen.
Das Blut im Brode (auf Gestein!) ist
ein noch unbenanntes Lebens-Atom, das
ich Monas prodigiosa nennen muß!
Sie überblicken nun schon das ganze Gewicht
der Sache.
Alexander magnasgrios debellante
sagt Curtius, et milite panem in castris
frangante
sanguinis guttae manarunt.
Quo prodigio territus Alexander ab Arist-
ander vate est confirmatus, qui ad Tyrios
id pertinere ostendit, quod cruor intur
non foris fusus esset. (Polydorus
unter der Zeileet Lycosthenes)
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1104 über der ZeileDa floß Blut aus Brod unter Pabst Johannes
XI.
1550. In Siennia minoris Poloniae pago 12
miliaribus a Glogau sito cum
panes cultro
dividerentum in mensu sanguineis guttis inde
manantibus tota
mensa repleta est.
1555 ist zu Neuenburg bei Bruck Blut
zu Ostern aus Brod
und Fladen geflossen
1824 sind in Padua viele Nahrungsmittel
in den
Speisebehältern mit Blut überzogen
gefunden worden weshalb große Bestürtzung
im Volk war.
Diese Erscheinung ist im Haus Nr. 6 am
Mühlendamm, wo auch und besonders
in der ganzen Umgegend, [sic] viel Cholera-
Fälle waren, im August vorgekommen. Anmerkung des Autors
(am linken Rand)
Die Cholera hängt
damit nicht zusam-
men aber wohl
mit feuchten
dunklen Orten.
Ich erhielt Ende September ein Stückchen
trockener und verschimmelter
gekochter Kar-
toffel vom Geh. Rath Kuntzemann mit solchen
rothen
Flecken. Die Leute waren ausgezogen.
Vor Kurzem fiel mir ein, ob es sich auf
frischen gekochten Kartoffeln nicht oculiren
ließe und – es gelang.
Am Donnerstag zeigte ich die merk-
würdige
Erscheinung an Brod, Kartoffeln
und Käse in der Akademie lebend vor.
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dunkel bluthroten Flecken bilden eine
Gallerte auf den Speisen die wohl auch
abtropfen
kann. Es ist nicht wie Schimmel sondern ein
Haufe kleiner rother
Thierchen, die einzeln
sehr blaß sind, da sie um 1/4000 Linie
im
Durchmesser haben. Sie wimmeln im
Microscop und ich sehe zuweilen einen kleinen
fadenartigen Rüssel wenn ich sie antrocknen
lasse.
Diese Flecke werden bei mir gewöhn-
lich bald von
Schimmel überwuchert.
Ich erinnere an das Hostienblut
der Kirche zu
Wilsnack über der Zeile1383. Feuchte Orte,
Mehlteig, warme Luft
im Sommer
sind keine fremden Bedingungen bei Hostien.
Wieviel Juden haben
sollen Hostien
gemartert haben bis zum Blute!!
Welche Ideen Assoziationen
liegen
hier nahe! – Monas
prodigiosa!
Raphaëls Abendmahl
(Miraculo di Bolsena).
Da Andere Ihnen vielleicht davon
erzählen, so melde
ich es selbst. Schade
daß man in dieser wahnsinnigen Zeit bey
solchen
Publicationen wissenschaftlich gehemmt
ist um nicht Oel ins Feuer zu bringen.
Ihr Ehrenberg
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Anmerkung des Empfängers (am unteren Rand) Blut im BrodMonas prodig.
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