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Berlin Montag 21 Juni 1858.

Beigehend erhalten Sie, etwas früher als das Publicum, die ältesten organischen Formen der Erde zur Ansicht, welche bisher erreichbar gewesen.  Ehrenberg 1858b

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Nach Lyells Taxirungen würden sie 45000 Fuß tief liegen, da er die blauen Thone bey Petersburg ebenso wie Murchison für die ältesten bekannten versteinerungsführenden Sedimentschichten erklärt. Den Aufsatz besitzen Sie wohl schon im Mayhefte des akademischen Monatsberichtes.  Ehrenberg 1858a

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Die Kupfertafel kommt ins Juni-Heft. Seitdem habe ich von Pander neue Grünsande erhalten und zwar besonders auch die untersten grünen Schiefer der blauen Thone. Das ist alles Leben. In den verschiedenen Örtlichkeiten fast gleicher Tiefe wechseln die Formen. Es sind nicht überall Polythalamien. Einer der tiefen Grünsande enthält zahllose Mengen kleinster Mollusken die oft dem bloßen Auge auch als dunkle Pünctchen nicht mehr zugänglich sind. Dazwischen liegen mikroskopische Encrinite-Glieder, ein wunderbares Gemisch, völlig deutlich. Es giebt 5 eckige und runde kleinste Encriniten (Pentacriniten). – Nun wird man wieder die blauen Thone bey Petersburg als ganz hoch über der Grauwacke liegend verschreien, wie mir schon Herr Barrande brieflich dergleichen zu verstehen giebt, allein der General Hoffmann sagte mir, daß, wenn er sich recht erinnere, ein Bohrloch bei Narwa Granit unter dem blauen Thone ergeben habe. Pander schreibt mir, daß bei 500 Fuß Tiefe der Thon bey Petersburg nicht durchsunken sey. Freylich mögen Murchisons und Lyells Berechnungen der ungeheueren Mächtigkeit der Schichten oft durch Verwerfungen vulkanisch gerüttelter Felsmassen in England unsicher und irrig seyn. Fest steht, daß grüne Sandsteine und Schiefer in den untersten Sedimentschichten nirgends fehlen und daß ein ältestes massenhaftes mikroskopisches Leben breite Basis gewonnen hat durch den Grünsand. Die massenhaften mikroskopischen Mollusken sind den Enomphalis am meisten verwandt, doch giebt es auch sehr davon abweichende Gestalten. Die sogenannten Algen von Murchison im tiefsten blauen Thone sind, wie schon Pander selbst bemerkt Eisen-Anflug, ursprünglich wohl dendritisch. Die übrigen Algen welche schiefrige Lagen bilden, sind ohne alle Pflanzenstructur und offenbar Blätterkohle (Dysodil) aus Quarzsand und Öhlen (?). Ich spüre jezt den organischen Quarzkörnern nach. Neue Sendungen von Material bringen vielleicht wichtige Neuigkeiten in dieser Richtung.

In herzlicher dankbarster Verehrung Ehrenberg.

Der Ganges soll beym Hochwasser in der Sekunde 500 000 Cubickfuß Wasser bewegen, der Nil 176 148 Cubikfuß. Nach obiger Jahres-Angabe würde der Mississippi durchschnittlich in jeder Sekunde 434 711 Cubikfuß also beynah genau so viel als der Ganges, 2 ½ mal soviel als der Nil bewegen. In diesem Wasser des Mississippi würde die Trübung 1/2950, mithin in jeder Sekunde 147 Cubikfuß Festes betragen. Im Nil beträgt es 130 9/10. Cubikfuß im Ganges 557 Cubikfuß in der Sekunde. Hiernach würde der Mississippi bey einer dem Ganges ähnlichen Wasser-Menge nur eine dem Nil ähnliche Masse von festen Theilen bewegen. Meinen directen Untersuchungen nach beträgt die mikroskopische organische Lebens-Mischung der Flußtrübungen: Im Ganges (1/8 – ¼ ) in jeder Sekunde 69–139 Cubikfuß, Im Nil (1/20 – 1/10) in jeder Sekunde 6–13 Cubikfuß, Im Mississippi (1/50 – 1/33) in jeder Sekunde 2–4. Cubikfuß. Das Letztere ist offenbar zu wenig und wird durch Prüfung der seitlichen, außerhalb des Stromes vorkommenden, feineren Trübungen wahrscheinlich modificirt werden. Durch die Analyse der mir im Jahre 1846 von Calcutta aus übersandten 21. Quartflaschen voll Wasser des Ganges und Bramaputra aus allen Monaten (siehe Monatsbericht 1846. pagina 278.  Ehrenberg 1846f, 277

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) habe ich am Ganges Wasser die meisten und intensivsten Untersuchungen über den großen Antheil des mikroskopischen Lebens an den Deltabildungen gemacht. Demnach ist es wahrscheinlich, daß die Zahlen für die beyden anderen Flüsse höher steigen werden. Die weitere Ausführung des Details dieser Untersuchungen ist in dem der Herausgabe näher rückenden zweyten Bande des größeren Infusorien-Werkes, den Mikrogeologischen Forschungen, vom Ganges- und Nil-Delta bereits gedruckt.  Ehrenberg 1854

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Zitierhinweis

Christian Gottfried Ehrenberg an Alexander von Humboldt. Berlin, 21. Juni 1858, hg. v. Anette Wendt unter Mitarbeit von Eberhard Knobloch. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 3 vom 14.09.2018. URL: https://edition-humboldt.de/v3/H0016521


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