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Berlin, 12. Februar 1858

Hochverehrteste Excellenz!

Es ist kaum nöthig zu sagen,  Dieses Schreiben Humboldts konnte bislang nicht identifziert werden.

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welch lebhaftes Vergnügen es für uns ist, so glücklich zu sein, Ihre interessanten Fragen, soweit es uns möglich ist, beantworten zu dürfen.

Ihrem Wunsche gemäß haben wir die Namen der Gipfel nach dem   Kommentar Linda Martin
Carl Richard Lepsius veröffentlichte 1855 das Allgemeine Linguistische Alphabet, mit dem eine Übertragung außereuropäischer Sprachen in lateinischerSchrift möglich wurde. Besondere Relevanz erhielten dabei Akzentuierungen, anhand derer die Aussprache des Wortes nachvollzogen werden konnte. Vgl. Lepsius 1855, 57–61.

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System von Lepsius
, aber mit einigen Modificationen genau so geschrieben, wie wir sie in unserem   Kommentar Linda Martin
Wohl Schlagintweit, H./Schlagintweit, A./Schlagintweit, R. 1861–1866.

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Buche
drucken lassen:

ts̆ für tsch

dz̆ für dsch

a mit einem Kürzezeichen (ă); wenn es ein a von unvollkommener Bildung ist, ähnlich im Hindostanischen dem offenen | 1v u der Engländer in „mud“ = Schlamm, „cut“ = schneiden; doch ist der Ton nicht ganz identisch damit.

Vokale mit dem Perispomenon, ã, ẽ, ĩ, õ, ũ, lauten nasal, wie zum Beispiel a in antique, o in salon.

Überdieß hat jedes Wort einen Accent, um zu zeigen, auf welcher Silbe der Ton liegt.

I. Namen der höchsten Berggipfel des Himalaya in der Richtung von Osten nach Westen:

II. Höhen. Der höchste, bis jetzt bekannte, Gipfel ist der Gaurisắnkar, nach Colonel Waugh

 Foot: Fuß (Großbritannien), 29.002 Foot entsprechen 8,84 km29002 Englische Fuß =  Pied: Längenmaß (Frankreich), 27.212 Pied entsprechen 8,84 km27212 Pariser Fuß =  Toise: Längenmaß (Frankreich), Humboldt verwendet auch die griechische Bezeichnung 'hexapus' (6 Fuß), 4.543 Toise entsprechen 8,85 km4543 Toisen hoch.

Nach unseren Messungen, soweit wir dieselben bis jetzt berechnen konnten, scheint er | 3rAnmerkung des Autors (am oberen Rand) 2)etwas höher, es ist derselbe Gipfel, von dem Hermann   Kommentar Linda Martin
Dieses Schreiben konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

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in seinem Briefe von Phalut (1855)
geschrieben hat, wo er ihn unter Winkeln von über 4° messen konnte.

Im übrigen sind die Höhen der einzelnen Gipfel von Osten nach Westen folgende:

Unsere eigenen Höhen konnten wir bis jetzt, mit der sorgfältigen, wiederholten Vergleichung der Instrumenten Correction beschäftiget, noch nicht berechnen.

III. Bedeutung der Namen Ts̆amalhári. Wir finden  In dem 39. Band der Manuskripte hielten die Brüder Schlagintweit besonders Ortsnamen und ihre etymologischen Eigenheiten fest. Vgl. Schlagintweit, A. H. R. 1854–1858.

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in unseren Manuscripten (Band 39, Abtheilung 5)
daß Ts̆amalhári genau derselbe Name ist, wie Gaurisắnkar, dessen Bedeutung wir erst 3 Jahre später erfuhren. Ein einziger, unwesentlicher Unterschied ist, daß in „Gaurisắnkar“ das Wort „Berg“ | 4rfehlt, während es in Ts̆amalhári in der letzten Silbe enthalten ist. Ts̆amalhári ist bhutanischer, Gaurisắnkar sanscrit Name, Ts̆áma ist Name einer weiblichen, Lha einer männlichen Gottheit. Ri heißt Berg oder Gipfel.

Gauri ist gleichfalls eine Göttin, und zwar der Tochter des Himalaya, und sắnkar (sanscrit sắnkara) ist einer der vielen Namen, welche dem Gotte Síva gegeben werden. In beiden Fällen ist also die Bedeutung des Namens: Der Gipfel der Göttin und des Gottes par excellence.

Kănts̆índz̆ínga. Die Bedeutung der einzelnen Silben läßt sich im bhutanischen Dialect des Tibetanischen aufs deutlichste bestimmen. Die wörtliche Übersetzung ist: „Der hohe Schneeberg von 5 Schätzen“ kan = Schneeberg (gã tibetanisch) | 4vTs̆in = hoch dz̆ínga = 5 Schätze.

Die allgemeine Bedeutung des Namens könnte etwa, wie Hermann in Sikkim erfuhr folgende sein: Der Schneegipfel der 5 Schätze, wobei sich die letzteren auf 5, hier etwa mit Silber vergleichen, Anhäufungen von großen Firnmassen an seinen Abhängen beziehen.

  Kommentar Ulrich Päßler
Dieser Berg konnte bislang nicht identifiziert werden.

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Deodunga
, was Gottesfelsen bedeutet, ist ein kleiner Berg, der von Kathmandu gesehen, parallactisch dem Gaurisănkar vorliegt.

Yáhsa. Die Bedeutung dieses Wortes konnten wir nicht erfahren. Dhaulagiri heißt nepalesisch, wörtlich übersetzt, Schneegebirge, identisch mit dem englischen Worte „Snowy range“ oder dem deutschen Worte „Alpen“.

Mats̆ipúts̆a, im Sanscrit Wort, der Mátśya púts̆a geschrieben, heisst Fischschweif, máts̆i = Fisch (máts̆li hindostanisch) púts̆a = Schweif.

| 5rAnmerkung des Autors (am oberen Rand) 3).Nánda Dévi bedeutet: die Göttin (Dévi) Nánda.

Íbi Gã́min, ein tibetanisches Wort, welches, wörtlich übersetzt, die alte Verwandte oder Schwester des Schnees heißt.

Íbi = alt Gã = Schnee min = Verwandte, oder Schwester. Die Bedeutung und die zu Grunde liegende Idee ist, daß Ibi Gã́min die erhabene Schneespitze des Himálaya sei, im Gegensatze der nördlich von Tibet, ihr gegenüber liegenden (verwandten) Karakorum Kette.

In Beziehung auf den letzten Punct Ihres Briefes über Erosion & Spalten der Thäler des Himalaya erlaube ich mir folgende Bemerkungen:

| 5v Die Richtung der Thäler ist ursprünglich durch Spalten bestimmt; man erkennt noch jetzt in vielen Fällen häufig das Streichen der Faults im Gesteine als parallel mit der Richtung des Thales.

Die Flüsse aber weichen in einzelnen Theilen von dieser allgemeinen Richtung der Thäler etwas ab, von der sie sich, der Form nach einer vom Winde bewegten Flagge nicht unähnlich, nach rechts oder links entfernen.

Wo die Thalwände unmittelbar am Ufer eines Gebirgsflusses ebenfalls diese gewundene Form haben, die im Himalaya bei weitem die vorherrschende ist, läßt sich schon daraus, aber noch ohne alle bestim̅te Bauweise die Aushöhlung als unmittelbare Wirkung des Flusses betrachten, da die Spalten viel regelmäßiger gerichtet sind.

Als direkte Beweise, die uns bei der Bestim̅ung der Erosion leiteten, führe ich an:

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  • 1) Löffelförmig gerundete Auswaschungen längs der ganzen Wände der Abhänge zum Flusse.
  • 2) Ablagerungen, ebenfalls längs der Abhänge zum Flusse, die weiter oben im Thale anstehend gefunden werden.

Selbst wenn wir uns auf diese beiden Daten allein beschränkten, kamen wir, unabhängig von einander, zu dem Resultate, daß die Erosion im Himalaya  Foot: Fuß (Großbritannien), 1.200 Foot entsprechen 365,76 m1200 bis  Foot: Fuß (Großbritannien), 1.500 Foot entsprechen 457,20 m1500 Fuss betrug, eine Höhe, die sie aber oft überstieg. Die größten Erosionen erreichen  Foot: Fuß (Großbritannien), 3.000 Foot entsprechen 914,40 m3000 Fuss.

Die Folgen der Erosion sind außerordentlich ausgedehnt & überraschend; ich nenne nur den Mangel aller Wasserfälle, den Mangel, das ist die Entleerung aller Seen und das langsame, aber stetige Vermindern der absoluten Grösse der Gletscher.

  Kommentar Linda Martin
Ein in der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde abgedruckter Aufsatz von Robert Schlaginitweit behandelte die Erosionsformen der indischen Flüsse. Vgl. Schlagintweit, R. 1857.

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Ich habe im December ersucht, in der geographischen Gesellschaft einen kleinen Vortrag über diesen Gegenstand zu halten, der, einer der interessantesten & wichtigsten, uns vielfach im Himalaya beschäftigte.

| 6v Ich werde mir erlauben, Ihnen morgen ein Exemplar dieses bereits gedruckten Vortrages zu schicken, sobald ich es von Reimer erhalte.

Wir werden, wegen der Wichitgkeit des Gegenstandes, uns sehr glücklich schätzen, darüber auch Ihre Ansicht vernehmen zu können.

Unabhängig von den eben mitgetheilten wissenschaftlichen Daten erlaube ich mir, Ihnen mitzutheilen, daß wir heute das Glück hatten, den Großherzog von Mecklenburg, mehr als 2 Stunden in Monbijou zu sehen. Er wurde von Fürst Reuss eingeführt den wir öfter im Kasino bei Tisch sahen, und schien mit vielem Interesse unsere Sam̅lungen zu sehen.

Soeben erhielten wir auch einen Brief vom Großherzog von Sachsen Weimar, der uns morgen um ¾ 9 Uhr Morgens zu sich beschied. Wir werden uns erlauben Ihnen sogleich Näheres über diesen uns erwarteten Besuch mitzutheilen.

Mit dem Ausdrucke der ausgezeichnetsten Hochachtung und in̅igsten Verehrung Eurer Excellenz dankbarst ergebener Robert Schlagintweit.

Die Erstellung der Datenbestände der edition humboldt digital ist ein fortlaufender Prozess. Umfang und Genauigkeit der Daten wachsen mit dem Voranschreiten des Vorhabens. Ergänzungen, Berichtigungen und Fehlermeldungen werden dankbar entgegengenommen. Bitte schreiben Sie an edition-humboldt@bbaw.de.

Zitierhinweis

Robert Schlagintweit an Alexander von Humboldt. [Berlin, 12. Februar 1858], hg. v. Moritz von Brescius, Linda Martin und Ulrich Päßler unter Mitarbeit von Dominik Erdmann. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0016449


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