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Eure Königliche Majestät Anmerkung (am linken Rand) Seine Majestät bewilligen  Reichstaler: Preuß. Währungseinheit3000 Reichsthaler aus der Schatulle zur Hälfte sogleich, zur andern am 1. Januar kommenden Jahres zahlbar. Ordre an p. Schöning. Nachricht an p. von Humboldt. Anmerkung (am unteren Rand) Illaire (?) 4/7Anmerkung (am unteren Rand) von Gerlach(?) Anmerkung (am rechten Rand) praesentatum 24/6

haben, als ich Sie auf der Eisenbahn verliess, mir nicht bloss erlaubt, Sie haben wie die herrliche Königin, mit der unaussprechbaren Huld, die das Glück und der Trost meines greisen Alters ist, mir befohlen, von Zeit zu Zeit Nachricht von mir und der langsam fortschreitenden, mich aber keineswegs beunruhigenden oder im Arbeiten stöhrenden Abnahme meiner Kräfte zu geben. Die Löwen des Tages sind ⅔ der Schlagintweits, Hermann und Robert , die über Aegypten hier angekommen sind, gerade die, welche in Kaschmir, Ladak, West-Tibet und jenseits der Tibet und Turkestan (Yarkand und Khotan) scheidenden Kuenlün-Kette waren, da wo jenseits des  Foot: Fuß (Großbritannien), 18.000 Foot entsprechen 5,49 km18000 englische Fuss hohen Karakorum- | 51vAlpenpasses noch kein Europäer von Süden her gelangt war, nach dem Zeugniss der neuesten Reisenden in dieser Gegend, des Botanikers Thomson, Joseph Hookers Reisebegleiter, der in der geographischen Einleitung zur Flora Indica (1856) sehr bestimmt sagt:  Hooker/Thomson 1855, 215.

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the axis of the Kouenlun, forming the northern boundary of Tibet and not less elevated than the Himalaya, has not been crossed by any European traveller.
Moorcroft war nur südlich vom Kuenlun bei den heiligen Seen. Diese grosse Ausdehnung des geographischen Wissens verdanken wir, wie schon Ritter ausgesprochen hat, allein Eurer Majestät da Sie den ersten grossen Gedanken der Reise aufgefasst und dem englischen Gouvernment zur Mithülfe vorgeschlagen haben, wie wir Ihrer Liebe zur Erdkunde die aegyptischen Entdeckungen von Lepsius und Brugsch; die Kenntniss der altgermanischen Sprachstamm-Districte des Kaukasus durch Rosen verdanken. Ich lobe nicht, ich erzähle: Hermann und der jüngste, herangewachsene Schlagintweit, Robert , haben sich in Alexandrien getroffen, wohin der eine von Calcutta, der andere von Bombay, in wenigen Wochen Unterschied, ankam. Ein Drittel Schlagintweit, Adolf ist noch in Indien bis November geblieben. Wundersam ist es dass alle 3, so jung und daher noch viel empfänglicher für klimatische Einflüsse in den brennend heissen Diamanten Districten, wie in den verpesteten hohen Bergthälern immerfort unter Gottes, des Allmächtigen, gnädigem Schuze ununterbrochen der kräftigsten Gesundheit sich erfreuten 3 Jahre lang, wie ich fünf Jahre und 3 Monate lang. Es ist von den edelsten Gefühlen tiefer Dankbarkeit getrieben dass die beiden Reisenden von Triest aus, (ehe sie nach München zur Mutter und zur dortigen noch fünfköpfigen kleinen Schlagintweitbrut eilten) geraden Weges sich nach Berlin begaben, da wo sie die Dankbarkeit hinrief. Sie wollen in Berlin nur 4 Tage noch verweilen, um einen sie begleitenden, auf Kosten der ostindischen Compagnie ihnen mitgegebenen jungen Inder, einen Munschi (Art Schriftgelehrter) der nur hindostani und arabisch, nicht englisch, spricht, hier unterzubringen. Die Schlagintweits haben so geläufig hindostani gelernt, dass sie das lezte Jahr ohne alle Dolmetscher reisen konnten. Die Sammlungen, die sie bringen und die im ostindischen Hause jezt liegen aber zur Hälfte hieher kommen sollen, werden unsere Museen auf das Glänzendste bereichern:

Es sind dazu schon auf dem Wege, um nach Bremen ausgeschifft zu werden, von lebendigen grossen Thieren:

Ich habe die Schlagintweits von ihrem Drange, sich Eurer Majestät in Marienbad vorzustellen und über Marienbad nach München zur Mutter (il dolce nido) zu gehen, nicht abhalten wollen. Ich habe eher dazu gerathen, weil ich ahnen kann, dass diese bescheidenen und kühnen, sich wissenschaftlich so vielseitig und glänzend ausgezeichneten jungen Leute Eurer Majestät einige Stunden angenehmer Unterhaltung gewähren werden. Sie flehen und ich mit den Reisenden, dass Eure Majestät ihnen noch auf ein Jahr von jezt an, die bisherige Unterstüzung huldreichst schenken mögen.

Von der ostindischen Company, die (wie der Sohn meines Freundes, des berühmten Staatsmannes Canning, der jezige General Gouverneur) den daurendsten und wohlthätigsten Antheil an der Expedition genommen hat, hört alle persönliche Geldunterstüzung auf, von dem Augenblick, wo die Reisenden in Triest landen. Die Company wird höchst-wahrscheinlich das Reisewerk, englisch von ihnen geschrieben, und mit vielen Karten und Kupfern versehen, auf öffentliche Kosten drucken lassen. Für die deutsche Ausgabe aber einer, auf Befehl und theilweise auf Kosten Eurer Majestät, ganz wissenschaftlichen Reise, sind nicht Vorschüsse von deutschen Buchhändlern zu hoffen. Tibet und der Kuenlün (mein Demant) intressiren in Deutschland nicht wie Timbuctu. Niemals totgeglaubte Reisende sind keine erstandenen Leichen; sie sind geologisch, magnetisch, Schädel abformend, skelettirend; sie sind alles nur nicht dramatisch in den Augen der Menge. 
Große Ansicht (Digilib)

Bildnachweis

Die beiden heiligen Seen Manasarovar Bildbeschreibung Zwei Tintenflecke am rechten Seitenrand [Schließen]
   
Drei solcher undramatischen Reisenden, von denen 3 Jahre lang meist jeder wo anders war, wollen essen. Ich flehe, schenken Eure Majestät zur Erleichterung der deutschen Ausgaben und da der reine Aether wie alle Bergluft, den Appetit, das Nahrungsbedürfniss bekanntlich erhöht, schenken Sie der Dreiheit noch ein Jahr der bisherigen Unterstüzung. Es ist viel Ausgabe, die (ich weiss es,) Eurer Königlichen Majestät unmittelbar und ausschliesslich zur Last fällt! Aber es ist Vollendung von dem was Sie ins Leben gerufen, zu Ehre und zum Glanze Ihrer Epoche! Ich verzage nicht…

| 52vNach Kaschmir und den Interessen der jungen Reisenden, die mich sehr beunruhigen, darf ich wohl noch zwei Curiosa berühren in denen der Imperialismus sich wenigstens mit grosser delicatesse für mich benommen hat. Der Brief des Grafen Walewski ist in so fern der ausgezeichnetste, da er von der Beschäftigung des Kaisers Napoleons mit einigen meiner Werke und von einer gewissen Vorliebe für meinen Character spricht. Ich darf Eure Königliche Majestät wohl um die Gnade bitten mir   Kommentar Ulrich Päßler
Humboldt war durch ein Schreiben des Prinzen Napoléon sowie durch eines des französischen Außenministers Alexandre Colonna-Walewski über die Verleihung des Großkreuzes des Ordens der Ehrenlegion durch Kaiser Napoléon III. in Kenntnis gesetzt worden. Die beiden Schreiben sind nicht überliefert. Vgl. Humboldt an Friedrich Wilhelm IV., Berlin, 19. Juni 1857, Humboldt 2013, 523f.

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die beiden Briefe
wieder zufertigen zu lassen. Ich habe eine grosse, grosse Freude über die Wiederkehr der warmen Tage, welche den Genuss der Bewegung im Freien so sehr begünstigen, Ihrer Constitution eine nothwendige Lebensbedingung.

Mit den herzlichsten Wünschen und der dankbarsten Ehrerbietung Eurer Königlichen Majestät aller getreuester AlHumboldt

Berlin, den 20. Juni 1857.

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Zitierhinweis

Alexander von Humboldt an Friedrich Wilhelm IV. Berlin, 20. Juni 1857, hg. v. Linda Martin und Ulrich Päßler. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0016436


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