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Mexiko, den 29. April 1803

Wenige Tage nach meiner Ankunft in dieser großen und schönen Hauptstadt Neuspaniens, erhielt ich Deinen lieben Brief vom I Oktober 1802. Die Freude darüber war um so größer, da, seitdem ich Europa verlassen habe, dies das | 269 erste- und einzigemal ist daß ich etwas von Dir lese, obgleich ich überzeugt bin daß du mir oft geschrieben hast. Auch von meinem Bruder habe ich, seit meiner Abreise aus Corunna, höchstens 5 bis 6 Briefe innerhalb vier Jahre bekommen. Es scheint als wenn ein feindlicher Unstern, mehr in Absicht der Briefe, als der Schiffe, hier über uns waltet. Doch ich will nicht klagen, da mir nun bald die Freude bevorsteht, Euch alle wieder zu umarmen. – –

Wir haben schon über zehn- oder zwölfmal große Sendungen frischer Sämereien von hier abgeschickt: an den Botanischen Garten in Madrid, wo Cavanilles, wie ich sehe, in den  Cavanilles 1800.

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Anales de Historia natural
bereits einige neue Spezies aus diesen Samen beschrieben hat; an den Garten in Paris; und, über Trinidad, an Sir Josef Banks in London. Allein, denke darum nicht, daß mein Reichthum erschöpft sei, oder daß ich Berlin vergessen werde. Ich besitze eine ausgezeichnete Sammlung, die ich zu Quito, zu Loxa, am Amazonenfluße bei Jaen, auf den Anden von Peru, und auf dem Wege von Akapulko nach Chilpensingo und Mexiko, zusammengebracht habe. Diesen Schatz will ich nicht dem Zufall der Posten, die unglaublich nachläßig sind, anvertrauen; sondern, da ich nun | 270 im Begrif stehe selbst nach Havanah und Europa abzureisen, Dir selber überbringen. Ich habe Alles höchst sorgfältig getrocknet. Was ich Dir bringe, sind viele Samen von Melastoma, Psychotria, Kassia, Bignonia, Mimosa (ohne Zahl!), Solanum, Jacquinia, Embothrium, Ruellia, Gyrokarpus Jaquinii, Bornadesia, Achras, Lukuma, Bugainvillea, Lobelia, und ein halbes Hundert Pakete unbekannter Arten aus den Andes, aus dem Amazonenlande, u. s. w. .... Ferner werden meine Freunde in Amerika immer bereit sein, Dir auf mein Ersuchen recht häufig ganz frische Samen zu schicken. Ich nenne Dir itzt nur gleich als die thätigsten Männer: Tafalla zu Guayaquil; Olivedo zu Loxa, Matis, der erste Pflanzenmaler in der Welt und ein treflicher Botaniker, zu Santa Fe, ein Schüler von Mutis; imgleichen einige Kapuziner in Neuandalusien und Guayana. Auch ist ein vortreflicher und eifriger Naturforscher Hr Caldas zu Popayan.

Es freut mich sehr, daß meine Pflanzen durch Hrn Fraser endlich bei Dir angekommen sind.

Du wirst aus meinen älteren Briefen wissen, daß, nachdem wir ein halbes Jahr in den Volkanen zu Quito zugebracht, und fast die | 271 Spitze des Tschimborasso erstiegen haben, wir zu Kuenka und Loxa gewesen sind, um dort die Cinchona-Arten zu studieren. Von Loxa gingen wir, über fürchterliche Wege, nach der Provinz Jaen de Bracamoros, und nach dem Amazonenfluß; von da, über die Kordillere, durch die großen Bergwerke von Chota, nach Truxillo, und längs der Küste des Südmeers nach Lima: wo ich den Durchgang des Merkurs beobachtet habe. Von Lima machten wir die Reise nach Guayaquil zur See, blieben dort einen Monat, und schiften nach Akapulko, auf welcher letzten Fahrt wir 35 Tage zubrachten, und einen grausamen Sturm dem Golf von Nicoya gegenüber auszustehn hatten.

Daß ich seit lange die Reise nach den Philippinen aufgegeben habe, weißt Du. Ich würde einen ungeheuren Seeweg machen, bloß um eine einzige Inselgruppe zu sehen. Auch erlaubt der gegenwärtige Zustand meiner Instrumente mir nicht die Reise zu verlängern, die schon vier Jahre dauert; und es ist mir unmöglich gewesen, mir neue Instrumente aus England zu verschaffen. Man ist hier fast ganz abgeschnitten von der übrigen Welt, wie im Monde.

Ich wünschte gegen Ende dieses Jahres in Europa zu sein. Allein, das schwarze Erbrechen, | 272 welches schon zu Vera Cruz und in Havanah herrscht, und die Furcht vor der üblen Schiffahrt im Oktober, müssen mich zurückhalten. Ich will nicht mit einer Tragödie endigen. Weil ich nun aber den sicherern Weg wähle, so werde ich wahrscheinlich erst im April oder Mai 1804 in Europa anlangen.

Ich weiß nicht, ob ich heute Zeit haben werde meinem Bruder zu schreiben. Sei so gut, ihm diesen Brief mitzutheilen, und ihm zu sagen, daß ich vollkommen gesund bin, und daß mir nichts fehlt, als seine Briefe. –

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Suggested citation

Alexander von Humboldt an Karl Ludwig Willdenow. Mexiko, 29. April 1803, ed. by Ulrich Päßler in collaboration with Klaus Gerlach and Ingo Schwarz. In: edition humboldt digital, ed. by Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 of 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0006056


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