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Anmerkung des Empfängers (am oberen Rand) folia pinnata wo keine  In der dritten Auflage der Ansichten der Natur beschäftigt sich Humboldt mit den Kniewurzeln von Taxodium distichum: Reisende haben diese Wurzel-Auswüchse, da wo sie sehr häufig sind, mit den Grabtafeln eines Judenkirchhofes verglichen. Humboldt setzt sich zudem mit der Überwallung an Baumstümpfen auseinander. Er fragt, wie scheinbar tote Stammenden über viele Jahre Gewebe bilden können, ohne dass neue Zweige und Blätter entstehen. Kunth widerspricht im vorliegenden Schreiben der Annahme Heinrich Göpperts, dass diese Baumstümpfe durch die Wurzeln benachbarter, lebender Bäume mit Nährstoffen versorgt werden. Vgl. Humboldt 1849, II, 202–204.

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Taxodium Judenkirchhof Ueberwallung
Anmerkung des Empfängers (am oberen Rand) Kunth IV Hochzuverehrender Gönner,

Folia pinnata kommen allerdings, wie Sie so treffend bemerkt haben, hauptsächlich in den Familien vor, welche auf der höchsten Stufe der Entwickelung stehen, nämlich den Polypetalen und zwar unter den perigynischen bei den Leguminosen, Rosaceen, Terebinthaceen, Juglandeen, unter den hypogynischen bei den Aurantiaceen, Cedrelaceen, Meliaceen, Sapindaceen und Simarubeen.

Die meisten Folia pinnata haben ohne Zweifel die Leguminosen aufzuweisen, aber gleichzeitig giebt es unter ihnen fast eben so viele mit Foliis ternatis, quinatis und digitatis. Folia simplicia sind in dieser Familie sehr selten zum Beispiel Cercis. | 1v2 (Doppelt gefiederte Blätter (Folia bipinnata) finden sich am häufigsten in der Abtheilung der Mimoseen, außerdem auch bei einigen Caesalpinieen (Caesalpinia, Coulteria, Gymnocladus, Gleditschia), niemals aber unter den Papilionaceen.)

Unter den Rosaceen (nach der Lindley-Endlicherschen Begrenzung, also mit Ausschluß der Drupaceen und Pomaceen) haben blos Rosa, Geum, Comarum, Agrimonia, Sanguisorba und einige Potentillen (Potentilla anserina, Potentilla supina) gefiederte Blätter, häufiger sind hier folia ternata (Fragaria), quinata und digitata (Potentillae pleraeque, Rubus); die meisten Spiraeen, welche gleichfalls hierher gehören, haben dagegen folia simplicia.

Sämmtliche Juglandeen und Cedrelaceen (Swietenia), so wie die Mehrzahl der Aurantiaceen, Meliaceen, Simarubeen (Quassia) und Terebinthaceen, (Pistacia, Comocladia, Schinus, Rhus.) haben folia pinnata; die Sapindaceen blos zum Theil (zum Beispiel Sapindus, Cupania, Talisia, Melicocca, Koelreuteria), indem | 2r3 bei andern (Cardiospermum, Serjania, Paullinia) folia bi-vel triternata und supradecomposita, zuweilen (in Dodonaea, Cossinia ) selbst einfache Blätter vorkommen.

Anmerkung des Empfängers (innerhalb der Zeile) Zu den Familien, in denen weder folia pinnata noch überhaupt composita vorkommen, gehören hauptsächlich die Gentianeen, Rubiaceen, Caryophylleen, Myrtaceen und Melastomaceen. Die Blätter dieser Familien sind außerdem integra und integerrima, mit Ausnahme der Melastomaceen, wo sie meist am Rande gesägt, gezähnt oder gekerbt sind.

Durch durchsichtige Punkte (Drüsen mit ätherischem Oele) zeichnen sich die Blätter sämmtlicher Aurantiaceen, Rutaceen, Diosmeen, Zanthoryleen und Myrtaceen aus. In den Labiaten, wo auch solche punktförmige Drüsen vorkommen, sind sie blos oberflächlich und undurchsichtig.

Ich kenne die sonderbaren Auswüchse bei Taxodium recht gut, habe sie aber leider in meinem   Kunth 1847.

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neuen Handbuche
nicht erwähnt, wohl aber in der   Kunth 1831.

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ersten Auflage pagina 311
am Ende der Familie der Coniferen. | 2v4 Anmerkung des Empfängers (am oberen Rand) Wurzelauswüchse. Sie entspringen auf den horizontalverlaufenden Neben- oder Tauwurzeln, und können füglich mit Augustin de Saint-Hilaire Exostosen genannt werden. Sie treiben meines Wissens keine Zweige, können daher auch nicht mit den masrigen Auswüchsen des Stammes (zum Beispiel bei den Kiefern) verglichen werden, welche durch Anhäufung zahlloser Adventifknospen entstehen.

Was die Ueberwallung betrifft, so glaube ich, daß sich Goepperts Ansicht auf die frühere unrichtige Vorstellung gründet, welche man sich von der Safterzeugung machte, wonach ein auf- und absteigender Saft unterschieden und dem letzten die Bildung der Holz- oder Jahresschichten zugeschrieben wurde. (Siehe mein   Kunth 1847.

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Handbuch pagina 166
.) Die Schichten eines solchen Stubben bilden sich wahrscheinlich, wie bei allen andern Stämmen aus seiner Cambium-Schicht, und sind keinesweges von einem benachbarten Baume abhängig, mit dessen Wurzeln die seinigen in Verbindung stehen sollen. Auf ähnliche Weise schließen | 3r5 sich (große) Wunden der Rinde durch wulstartige Ueberwallungen und eingeschnittene Buchstaben, eingeschlagene Nägel und andere Körper gelangen allmälig in das Innere des Holzkörpers (  Kunth 1847.

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Handbuch 143
). Humboldt übernahm diese Informationen unter Verweis auf Kunth fast wörtlich in die Ansichten der Natur. Vgl. Humboldt 1849, II, 203.

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Hirschgeweihe, welche zufällig zwischen zwei naheliegenden Aesten abgestreift werden, dringen bei Verdikkung derselben allmälig in den Holzkörper ein und erscheinen später mit ihm verwachsen.
Ich besitze die  Goeppert 1842.

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Goeppertsche Schrift
und ein sehr schönes Beispiel einer solchen Ueberwallung, welches er mir selbst mitgetheilt hat. Auch erinnere ich mich einmal einen Pappelstubben gesehen zu haben, an dessen Spitze zahlreiche Aeste zwischen Rinde und Holz hervorgewachsen waren.

Ich danke Ihnen verbindlichst für den gütigen Antheil, welchen Sie an meinem Befinden zu nehmen geruhen. Mein Fuß ist ziemlich wiederhergestellt, nur wird mir das Gehen, namentlich auf der Straße, noch etwas sauer.  Wohl der Arzt Carl Gustav Mitscherlich.

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Doktor Mitscherlich
hat durchaus keine Besorgniße. Ihren verehrten  Dieser Brief Humboldts konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

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Brief von Montag
erhielt ich erst gestern Abend, was die Beantwortung verzögert hat.

Mit tiefster Verehrung Ihr dankbar ergebenster CKunth.

Donnerstag den 1. Februar 49.

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Zitierhinweis

Carl Sigismund Kunth an Alexander von Humboldt. [Berlin], 1. Februar 1849, hg. v. Ulrich Päßler unter Mitarbeit von Klaus Gerlach und Ingo Schwarz. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0005461


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