1Als Robert von Schlagintweit in den 1860er und 70er Jahren vor Tausenden von gebannten Zuhörern seine asiatischen Reise-Erlebnisse in den Ebenen Indiens und dem majestätischen Gebirge des Himalaya schilderte, schien es, als sei mit dieser Expedition schließlich ein Wunsch in Erfüllung gegangen, den der deutsche Naturforscher seit seiner „frühesten Jugend“ gehegt habe. Wie Robert in seinem Vortrag vor ausgebuchten Sälen in Europa und Nordamerika fortfuhr, sei es weder die „verführerische Liebe von Abenteuern“ gewesen noch die „ehrgeizige Leidenschaft, zu glänzen“, oder die „schiere Neugier, den Schleier von diesen bislang umnebelten Ländern zu lüften“, die ihn und seine beiden Brüder zwischen 1854 und 1857 nach Süd- und Hochasien geführt hätten. Ihr größter Wunsch sei es vielmehr gewesen, diese weitläufigen Gebiete zu bereisen und „auf rein wissenschaftliche Weise zu erforschen“.[1] Also nicht persönliche Geltungssucht oder die Aussicht auf eine kommerzielle Verwertung packender Expeditionserlebnisse, auch nicht strategische Interessen der sie in Dienst nehmenden britischen Kolonialmacht in Indien, sondern angeblich nur die pure, unverfälschte Wissenschaft habe sie zu ihren Reisen angetrieben. Sie selbst erscheinen in diesem Narrativ als heroische Einzelreisende, die gegen allerlei Widerstände vonseiten einer unbarmherzigen Natur und mitunter feindlich gesinnter ‚Einheimischer‘ das Banner der europäischen Aufklärung und Naturforschung in unbekannte Gefilde trugen.[1] Im Original: „Then only was I so fortunate as to behold this mountain land, then only did I gain the attainment of a wish, that had been vividly present in my mind for years, I should rather say, from my earliest youth […].“ und „[…] neither the seductive love of adventures […] nor was it the ambitious passion to shine, nor was it even the bare curiosity to wish to lift up the veil, which had hitherto shrouded these lands; – no, what most profoundly stimulated us was the wish to explore and investigate in a scientific manner that land.” Aus Robert Schlagintweit, „Vortragsmanuskripte“ [„Lecture Manuscripts“] für seine „English lectures on High Asia delivered during the years 1868 and 1869 in various towns of the United States of America“, in zwei Bänden, Bayerische Staatsbibliothek (BSB), München, Schlagintweitiana, V.2.2.1, Seite 21 und 18.

2Die folgende Einleitung zu dem facettenreichen Briefwechsel der Brüder Schlagintweit mit ihrem wichtigsten Förderer und Mentor Alexander von Humboldt im Zeitraum von 1849 bis 1859 wird einige dieser selbstgestrickten Mythen des umtriebigen Asienreisenden und später wissenschaftlichen Popularisierungskünstlers Robert von Schlagintweit kritisch hinterfragen. Wie seine ökonomisch erfolgreichen Vortragstourneen nur zu sehr verdeutlichen, waren europäische Forschungsreisen nach Übersee in der Mitte des 19. Jahrhunderts längst ein lukratives Feld geworden, in dem karrierestrategische Selbstdarstellung und Vermarktung internationales Prestige und Erwerb privaten Vermögens versprachen. Dies betraf zum einen das große öffentliche Interesse an packenden Reiseberichten und bildlichen Darstellungen fremder und ‚exotischer‘ Länder und Kulturen, die im anbrechenden Zeitalter der Kolonial- und Weltausstellungen immer größeren Raum im bürgerlichen Unterhaltungssektor Europas und der USA einnahmen.

3Zum anderen lieferten solche Übersee-Expeditionen ambitionierten Reisenden die Möglichkeit, umfangreich zu sammeln. Dies erlaubte es ihnen nach der Rückkehr, nicht nur die eigene wissenschaftliche Reputation durch die eingehende Analyse der mitgebrachten Artefakte zu gewinnen, sondern auch seltene Objekte auf international vernetzten Märkten für Ethnographica und Naturalia zum Verkauf anzubieten. Im günstigsten – und äußerst seltenen – Fall ermöglichte eine reiche materielle Ausbeute aus Übersee sogar, ein ganz neues, eigenständiges Museum als symbolträchtigen Erinnerungsort für die eigenen wissenschaftlichen Leistungen und die damit verbundenen Entbehrungen zu gründen. All diese Facetten der zeitgenössischen „culture of exploration“ (Felix Driver) wurden von den Brüdern Schlagintweit im Laufe ihres Forscherlebens genutzt.[2] Entgegen einer anachronistischen Unterscheidung, die das Operationsfeld viktorianischer Gelehrter und Naturforscher in einer gehobenen Wissenschaftssphäre der Universitäten, Akademien, spezialisierten Journale und Fach-Kongresse ansiedelt und sie einer populären Welt der Unterhaltung und des Konsums wissenschaftlicher Ergebnisse als angeblich unvereinbar gegenüberstellt, zeigen die erstaunlich wandelbaren Karrieren der Schlagintweits, dass sich science & circus sehr wohl mühelos verbinden ließen.[3][2] Driver 2001.[3] Dazu auch: Liebersohn 2006, 142.

4Die Karrieren der Brüder fielen in eine wissenschaftliche Umbruchsituation. Sie unternahmen ihre Expeditionen (erst innerhalb und dann außerhalb Europas) am Ende einer von Alexander von Humboldt geprägten Zeit, in der angestrebt wurde, holistische Natur- und Kulturerforschungen fremder Erdteile und menschlicher Gemeinschaften mit ihren spezifischen soziokulturellen Ausprägungen miteinander zu verbinden. Die vielfältige herkömmliche Kritik an den Forschungsergebnissen der Brüder und ihren weitgefassten Ambitionen signalisierte zugleich den Beginn einer neuen Ära. Diese war charakterisiert durch eine zunehmende Spezialisierung und Ausdifferenzierung eng abgesteckter Wissensbereiche. Mit der Schlagintweit-Expedition nach Asien ging auch insofern eine Epoche zu Ende, als mit ihr lange gepflegte Gelehrten-Netzwerke zwischen Berlin und London zusammenbrachen bzw. sich neu erfinden mussten. Die „wissenschaftliche Mission“ der Schlagintweits war das letzte große Förderprojekt Alexander von Humboldts, mit dem er symbolhaft den Stab der deutschen Welterkundung an die folgende Generation weiterreichte. Eindrücklich schrieb Humboldt den Brüdern am 4. September 1854, wenige Wochen vor ihrer Abreise nach Indien:

Ich hatte diese Nacht, wo ich 4 lange, warme und listige Briefe für Sie schrieb meine liebenswürdigen, theuren Freunde, nicht die Musse gehabt, Ihnen ein Wort der Liebe, des Andenkens, der innigen Achtung, und des ewigen Abschieds zu sagen. Unter allen Dingen zu denen ich mitgewirkt, ist Ihre Expedition nun eine der wichtigsten geblieben. Es wird mich dieselbe noch im Sterben erfreuen. Sie werden geniessen, was zwischen der Rückunft von Mexico und der Sibirischen Reise ununterbrochen meine Phantasie beschäftigt hat. Möge es Ihnen wohl gehen.[4][4] Alexander von Humboldt an Adolph und Hermann Schlagintweit, [Berlin], 4. September 1854, Bl. 1r (https://edition-humboldt.de/H0016450).

5Die so überaus wichtige Allianz des Schlagintweit-Trios mit dem über achtzigjährigen preußischen Geographen und legendären Forschungsreisenden Humboldt war aus den frühen Alpenstudien der Brüder entstanden. Die Brüder entstammten einer privilegierten Münchener Akademiker-Familie. Der Vater, Joseph Schlagintweit, war ein bekannter Augenarzt, der selbst jahrelang durch Zentraleuropa gereist war. Er legte größten Wert auf eine gute Ausbildung seiner Söhne. Diese erhielten sie nicht nur am Münchener Königlichen Alten Gymnasium (seit 1849 das Königliche Wilhelmsgymnasium, in dessen Bibliothek die gesamten 19 Bände von Carl Ritters Vergleichender Erdkunde standen), sondern auch durch die Anstellung privater Tutoren, welche die sprachlichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Talente der Brüder früh förderten. Noch während der Schulzeit unternahmen Hermann (1826–1882) und Adolph Schlagintweit (1829–1857) zahlreiche wissenschaftliche Exkursionen in die Alpen, denen sich erst später der jüngere Bruder Robert (1833–1885) anschließen sollte. Nach kleineren Publikationen erschien 1850 ihr erstes wichtiges Werk: Untersuchungen über die physicalische Geographie und die Geologie der Alpen in Beziehungen zu den Phänomenen der Gletscher, zur Geologie, Meteorologie und Pflanzengeographie.[5] Der Titel verriet ihre frühe Orientierung an Alexander von Humboldts Schriften und seinem Forschungsprogramm, nachdem sein zuerst 1845 in Teilen erschienenes Alterswerk Kosmos die beiden Brüder tief beeindruckt hatte. Ihm war auch ihr Erstlingswerk gewidmet.[5] Erschienen in Leipzig 1850 im Verlag J. A. Barth (Schlagintweit, H./Schlagintweit, A. 1850).

6Humboldt seinerseits war schon bald auf ihre Alpenstudien – die eine hohe körperliche Belastungsfähigkeit bei der empirisch-instrumentellen Erfassung von Naturphänomenen in beträchtlichen Höhen erforderte – aufmerksam geworden. Bereits im Mai 1849 siedelten die beiden Naturforscher nach Berlin über, damals das Mekka der geographischen Wissenschaften in den deutschen Ländern. Neben Humboldt residierte der berühmte Lehnstuhl-Geograph Carl Ritter in der preußischen Hauptstadt, die auch Sitz der zweitältesten Geographischen Gesellschaft der Welt (gegründet im Jahr 1830) war und mit bekannten Besuchern wie Heinrich Kiepert aufwarten konnte. Im nahegelegenen Gotha versammelte sich zudem eine geballte kartographische Expertise in dem Verlag Justus Perthes, der für die Publikation der genauesten (Welt-)Karten jener Zeit verantwortlich war und dessen Mitarbeiter wie August Petermann wichtige Korrespondenzpartner der Brüder Schlagintweit werden sollten. Humboldt, der die beiden Brüder zum ersten Mal am 21. Juni 1849 persönlich traf, versprach sich von Beginn an viel von diesen rastlosen Naturforschern. Schon im ersten erhaltenen Brief an sie zog er einen schwergewichtigen Vergleich zwischen ihren jüngsten Studien und den grundlegenden Forschungen des Alpenpioniers Horace-Bénédict de Saussure.[6] Humboldt sollte diese schmeichelhafte Genealogie in zahlreichen Empfehlungsschreiben an englische und anglo-indische Gelehrte und Wissenschaftspatrone in den folgenden Jahren mehrfach wiederholen, hierbei dann jedoch mit einem stärker strategischen Akzent: als Betonung ihrer Fertigkeiten in Vorbereitung auf eine große Indien- und Himalayareise.[6] Alexander von Humboldt an Adolph und Herrmann Schlagintweit, Potsdam, 21. Juni 1849, Bl. 1r (https://edition-humboldt.de/H0016462).

7Ihre erste wissenschaftliche Ausbildung hatten die beiden Brüder an der Universität in München genossen, wo Hermann in Geographie und Adolph in Geognosie 1848 resp. 1849 promoviert wurden. Hermann habilitierte sich nur zwei Jahre später an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität unter Carl Ritter. Adolphs Bewerbung um eine Berliner Habilitation scheiterte hingegen zweimal hintereinander. Sein Werk geriet in die Kritik von Fachspezialisten, die ihm mangelnde lokale Kenntnisse in bestimmten Alpenabschnitten und das Fehlen eines Forschungsüberblicks – inklusive ihrer eigenen geologischen Arbeiten – vorwarfen.[7] Während Hermann bereits in Berlin vor allem über Meteorologie dozierte und seine Briefe mit „Professor Schlagintweit“ unterzeichnete, sollte Adolph erst 1853 seine Berechtigung zum Hochschullehrer an der Universität München erhalten. Beide gaben ihre zunächst anvisierten Universitätslaufbahnen für die Möglichkeit auf, gleich ihrem Vorbild Humboldt, in den erlauchten Kreis eminenter europäischer Übersee-Forschungsreisender zu treten.[7] Dazu ausführlich Brescius 2019, 46–48.

8Die persönlichen Bande zwischen dem hochbetagten Forscher und den jungen Alpenstürmern – im August 1851 scheiterte die Erstbesteigung des Monte Rosa (4634 Meter) nur knapp – wurden schnell eng und erwiesen sich als durchaus von beiderseitigem Nutzen. So profitierte Humboldt in Berlin von Adolph Schlagintweits geologischer Expertise und bohrte ihn geradezu mit Fragen, etwa zur Bildung von Dolomitgestein.[8] Humboldts klangvoller Name, seine internationalen Beziehungen und die lokalen Kontakte zum preußischen König nutzten die Brüder wiederum von früh an dazu, ihre Arbeiten sowohl bei Friedrich Wilhelm IV. vorstellen zu lassen und ihn später persönlich zu treffen, als auch dafür, Kontakte mit dem bayerischen König Maximilian II. aufzunehmen.[9] Wie sich herausstellen sollte, war auch jener Monarch ein potenziell namhafter Förderer ihrer Projekte und indischen Reisepläne.[8] Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Berlin, 18. Dezember 1851, Bl. 1r–3v (https://edition-humboldt.de/H0016465).[9] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Berlin, 19. März 1852 (https://edition-humboldt.de/H0016443); Alexander von Humboldt an Hermann Schlagintweit, [o. O., Ende März 1850] (https://edition-humboldt.de/H0016456).

9Von früh an zeigte sich zudem sehr eindrücklich in dem Briefwechsel der Brüder mit Humboldt, wie deren wissenschaftliche Reputation im In- und Ausland von privaten und öffentlichen Interventionen seitens ihres berühmten Mentors abhing. Der erfahrene courtier und Wissenschaftsvermittler Humboldt wusste nur zu gut, dass es galt, einen internationalen Ruf als Gelehrter sorgsam aufzubauen, zu pflegen, und – wenn nötig – gegen methodische Unterschlagung oder sogar öffentliche Anfeindung wortstark zu verteidigen. Durch seine vielfältigen engen Kontakte mit dem preußischen Gesandten in London, Christian Karl von Bunsen und zahlreichen ihm gewogenen britischen Fachkollegen, war Humboldt über die aktuelle Presse und über wissenschaftliche Verlautbarungen in England bestens informiert. Das erlaubte ihm, aus der Ferne korrigierend in das öffentliche Erscheinungsbild der Schlagintweits einzugreifen und in weithin vernommener Fürsprache für ihre Alpenforschungen (und später für ihre asiatische Mission) einzelne Mitglieder der britischen Wissenschaftsszene regelrecht zu mobilisieren. Dabei erwies sich Humboldt als geschickter Teilnehmer der République des Lettres mit ihren vornehmen Konventionen des gelehrten Austausches. Er war nicht nur eine bedeutende Mittlerfigur für die deutsch-französische Wissenschaftskommunikation.[10] Auch im deutsch-britischen Austausch hielt Humboldt einflussreiche Fäden in der Hand; und er wusste diese bei Bedarf nicht nur sorgsam zu spinnen, sondern auch für die Verfolgung eigener Interessen kräftig zu ziehen, jedoch ohne jemals durch ein allzu forsches Gebaren diese transnationalen Gelehrtenverbindungen abreißen zu lassen.[10] Päßler 2009; Blankenstein et al. 2015.

10Humboldt verfolgte von Beginn an aufmerksam britische Veröffentlichungen zu den Leistungen seiner Protegés und notierte kritisch die Unterschlagung ihrer Ergebnisse in wichtigen Publikationen und Vorträgen auf der Insel. Kaum eine wissenschaftliche Plattform erreichte solch eine Breitenwirkung wie die jährliche Ansprache des Präsidenten der Londoner Geographischen Gesellschaft, Sir Roderick Impey Murchisons. Von ihm wurden herausragende Forschungen gewürdigt, auf laufende Explorationsprojekte verwiesen – kurzum: Reputationen auf weittönende Weise eingefädelt oder untergraben. Nach der Lektüre der Murchison-Ansprache vom Oktober 1852 schäumte Humboldt in einem Brief an Hermann Schlagintweit „erbost[,] dass in seiner Eröffnungsrede der Geographical Society Ihrer herrlichen Arbeiten und derer Ihres uns so theuren Bruders und der denkwürdigen Besteigungen des Monte Rosa gar nicht erwähnt“ worden sei.[11] In Reaktion auf diese frühe Nichtbeachtung verwendete Humboldt später enorme Mühe darauf, diese zentrale Bühne der geographischen Leistungsschau für die Forschungsresultate der Brüder in Asien zu erobern. So sollte er schließlich in direkter Kommunikation mit Murchison die wichtigsten Ergebnisse der Schlagintweit’schen Himalaya-Forschungen mehrfach unterstreichen.[12] Um deren Leistungen noch stärker hervorzuheben, zitierte Humboldt an Murchison sogar bewusst diejenigen britischen Naturforscher, die an vergleichbaren Zielen in den Regionen Hochasien vormals gescheitert waren – „zur Beschämung der Geographischen Gesellschaft“ in London, die den Brüdern ihr wohlverdientes Lob vorenthalten hätten, wie er Carl Ritter vertraulich schrieb. [13] [11] Alexander von Humboldt an Hermann Schlagintweit, Potsdam, 30. Oktober 1852 (https://edition-humboldt.de/H0016452).[12] Alexander von Humboldt an Roderick Impey Murchison, Berlin, 19. Mai 1856, Edinburgh University Library, Gen. 523/ 4.[13] Alexander von Humboldt an Carl Ritter, [Berlin], 18. Mai [1857], Humboldt 2010, 199.

11Wann genau die Idee für die Himalaya-Expedition der Brüder Schlagintweit entstand, lässt sich nicht genau datieren. Jedoch legen spätere Briefe an Humboldt nahe, dass er der Ideengeber und Motor des Unterfangens in ihren frühen Berliner Begegnungen war.[14] Doch trotz Humboldts energischer Förderung einer solchen Mission stand ihre Realisierung lange Zeit auf der Kippe. Ein erster Versuch scheiterte spektakulär. Im Mai 1852 richteten Adolph und Hermann eine Immediateingabe an den preußischen König mit der Bitte, dieser möge für sie eine mehrjährige Asien-Expedition auf preußische „Staatskosten“ finanzieren.[15] Die Brüder breiteten darin ein ambitioniertes Forschungsprogramm aus, das eine multiperspektivische Erforschung der geographisch enorm komplexen Gebirgskette vorsah – ganz im Geiste Humboldts: mit einem Fokus auf der Geologie und physikalischen Geographie. Doch ebendiese transdisziplinäre Ausrichtung des Projekts war dessen Achillesferse in einer Zeit voranschreitender Ausdifferenzierung der Wissenschaften. So wurde diese Eingabe, trotz Humboldts leidenschaftlicher Fürsprache in einem Bericht an den preußischen Monarchen, als forschungspragmatisch zu unspezifisch abgewiesen.[16] Zudem wurde von dem berufenen Gutachter, dem Berliner Professor für Mineralogie Christian Samuel Weiss, darauf verwiesen, dass britische Naturforscher mit ähnlichen Forschungsinteressen in denselben Gebirgsregionen schon seit längerem aktiv seien. Mit diesen britischen Untersuchungen würde die preußische Staats-Expedition „gleichsam in Conflict treten“.[17] Eine solche Konkurrenz-Situation in der deutsch-britischen Erforschung Indiens und Hochasiens sollte später mit voll entfalteter Kontroverse und Schärfe tatsächlich eintreten. In jedem Fall ist es bedeutsam, dass die Schlagintweit-Mission in ihrer zunächst geplanten Form – als eine rein preußische Expedition, unabhängig von britisch-kolonialen Erwägungen, Instruktionen und Querfinanzierungen – niemals zustande kommen sollte. Vielmehr war es den Brüdern zwei Jahre später nur unter deutlich veränderten Vorzeichen möglich, eine hauptsächlich von britisch-imperialer Seite finanzierte Expedition nach Asien anzutreten.[14] Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Bombay, 10. November 1854 (https://edition-humboldt.de/H0016441): „Es weiß hier Jederman̅ ebenso gut wie in England, daß Euer Excellenz allein die Veranlassung zu unserer Reise nach Indien gewesen sind.“[15] Adolph Schlagintweit und Hermann Schlagintweit an den König, 12. Mai 1852, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (GStA PK), I. HA Rep. 76 Ve, Akt Kultusministerium, Sekt. 1 Abt. XV Nr. 189, ohne Paginierung, „Wissenschaftliche Reisen der Gebrüder Schlagintweit nach Indien, Hochasien, sowie die Ausstellung und Benutzung der von denselben mitgebrachten Sammlungen” (WR); „[…] einer so kostspieligen Reise auf Staatskosten“. Vgl. auch die Immediateingabe von Adolph Schlagintweit an Friedrich Wilhelm IV., Berlin, 12. Mai 1852, GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 19767, „Acta des Kgl. Geh. Cabinets betr. die von den Gebrüdern Dr. Hermann Alfred Robert Schlagintweit und Dr. Adolph Hugo Schlagintweit aus München, jetzt in Berlin eingereichten Schriften etc. 1852–1885“, Bl. 1 und 3: „[...] wie überaus glücklich würden wir sein, ich weiß kaum ob ich es wagen darf dieses hier auszusprechen, wenn es uns vielleicht später gegönnt wäre, im Allerhöchsten Auftrag Euerer Majestät uns geologischen und physikalischen Untersuchungen in dem gigantischen Bergsystem des Himalaya zu widmen, welcher in der Wiege der Menschheit, umgeben von den wunderbaren Denkmälern altersgrauer Völkerstämme, der räthselhaften Naturerscheinungen noch so viele und wichtige bietet, obgleich die allgemeine Gliederung und Verkettung dieses Gebirges, seine überraschenden climatologischen Verhältnisse am Nord- und Südrande schon längst von Alexander von Humboldt in ungemein treffender und geistvoller Darstellung entwickelt wurden.“[16] Humboldts Bericht an Friedrich Wilhelm IV., 27. November 1852, GStA PK, WR, ohne Paginierung.[17] Weiss Gutachten, Berlin, 16. August 1852, GStA PK, WR, ohne Paginierung.

12Unternehmungsanlass und Einfallstor der Brüder nach Indien wurde das Projekt der geomagnetischen Vermessung Südasiens durch die britische Ostindienkompanie (EIC). Diese war eine Art Staat im Staate, die als koloniale Verwaltungsbehörde über riesige Gebiete und Steuereinnahmen im indischen Subkontinent verfügte. Im Jahr 1600 durch eine königliche Charter gegründet, war sie von Beginn an mehr als eine Versammlung von Kaufleuten gewesen und bildete frühzeitig staatsähnliche Strukturen und eine dezidiert politische Ideologie aus.[18] Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wuchs das Ensemble der formal oder indirekt von ihr beherrschten Gebiete in Südasien rasant an. Neben dem geschickten Knüpfen von Allianzen und schlichter Bestechung indischer Fürsten beruhte die territoriale Expansion der Company auch auf ihrer enormen militärischen Schlagkraft: 1830 verfügte sie über ein stehendes Heer von ca. 230.000 Mann (vor allem aus indischen Soldaten, Sepoys genannt), mehr als die meisten europäischen Großmächte zu dieser Zeit vorweisen konnten. Die Ausdehnung der EIC in Indien erforderte fortwährend eine systematische Erschließung und Vermessung der neuhinzugefügten Herrschaftsgebiete und gab Anstoß für großangelegte Forschungsprojekte, wie die im frühen 19. Jahrhundert begonnene „Große Trigonometrische Vermessung“ des Subkontinents, ein Unterfangen unter der direkten Kontrolle des Military Department.[19] Neben diesem jahrzehntelangen Großprojekt etablierte die Company (und später der British Raj) auch zahlreiche botanische Gärten, medizinische und technische Messstationen und lancierte eine Vielzahl weiterer Surveys. Neben den aufwendigen fiskalischen Aufzeichnungen für die Steuererhebung – „revenue surveys“ – waren dies vor allem die geologische, ethnographische, botanische und linguistische Vermessung Südasiens im Laufe des 19. Jahrhunderts. All diese wissenschaftlichen Unternehmungen boten auch Experten aus den deutschen Ländern Möglichkeiten zur forschenden Betätigung.[18] Vgl. Stern 2011.[19] Vgl. Edney 1997.

13Die magnetische Vermessung des indischen Subkontinents war 1846 vonseiten des britischen Direktorenhofes begonnen worden. Sie lag jedoch seit dem plötzlichen Tod des schottischen Leiters brach und wurde erst durch eine preußische Initiative wiederbelebt und zugleich umfassend erweitert. Humboldt hatte den lange gehegten Wunsch nie realisieren können, seine Amerika- und Andenreise (1799–1804) durch eine Himalaya-Expedition zu ergänzen, was seinem Streben nach transkontinentalen Vergleichen bestimmter Naturphänomene nur zu sehr entsprochen hätte. Seine auf Einladung der russischen Regierung im Jahr 1829 unternommene Russisch-Sibirische Reise bis an die chinesische Grenze war lediglich ein faute de mieux gewesen und musste seine Forschungsinteressen in Bezug auf die Gebirgsregionen jenseits der nordindischen Grenze unbefriedigt lassen. So blieb er noch in den 1850er Jahren in dem direkten Briefwechsel mit der gelehrten Asiatic Society von Bengalen davon überzeugt, dass in der höchsten Bergkette der Welt und

dans ce grand monde de votre Inde, il restera à glaner encore pendant des siècles et les changements que subissent (en progres) [sic!] des sciences physiques, surtout la Géologie des formations, présentent à de nouveaux observateurs aussi des chances nouvelles et favorables.[20][20] Aus einem Empfehlungsschreiben Humboldts an den Präsidenten der Asiatic Society in Calcutta Sir James William Colville für die Brüder Schlagintweit, abgedruckt im Journal of the Asiatic Society of Bengal (Humboldt 1855, 184).

14Sobald Humboldt die unverhoffte Gelegenheit für die Schlagintweits erkannt hatte, im Rahmen des unterbrochenen magnetischen Vermessungsprojekts in Indien einzusteigen, arrangierte er ein weiteres Treffen der Brüder mit dem preußischen König, um dessen Unterstützung für deren Anstellung in nunmehr britischen Diensten zu sichern. Zugleich lancierte er eine diplomatische Offensive in London durch den von ihm hochgeschätzten Gesandten Bunsen. Dieser traf sich mit dem amtierenden Präsidenten der Royal Society, die über umfangreiche Mittel zu globalen geomagnetischen Studien verfügte. In den 1830er Jahren war von der Royal Society und Mitgliedern der progressiveren British Association for the Advancement of Science ein regelrechter „Magnetischer Kreuzzug“ in England ausgerufen worden, in dem die indische Vermessung nur ein Teilprojekt bildete. Nachdem eine erste Übereinstimmung erzielt werden konnte und die Nachricht aus Indien eingetroffen war, dass angeblich kein bereits dort stationierter britischer Forscher freigestellt werden konnte, um das Projekt fortzuführen, wurde zunächst einer der Brüder für die Komplettierung magnetischer Studien von der Ostindienkompanie angestellt; später, durch geschickte Verhandlungen, sogar zwei der Schlagintweit-Brüder. Robert, der 1852/53 erste Erfahrungen in der Alpenerforschung gesammelt hatte, stieß dann als weiterer Teilnehmer dank einer „Pension“ seitens des bayerischen Königs Maximilian II. hinzu. Noch wichtiger als diese Verdreifachung der eigenen Manpower für die asiatische Expedition war jedoch die grundlegende Transformation des Forschungsprogramms durch die Brüder in Absprache mit dem Direktorenhof der EIC.

15Die britische Company verfügte nahezu über ein Anstellungsmonopol für honorierte wissenschaftliche Positionen in Indien. Dabei förderte sie jedoch – so lautete die Kritik vieler britischer Naturforscher – vor allem Projekte, „die mehr oder weniger profitable Rendite versprechen, was nicht als eigentliche Förderung der Wissenschaft angesehen werden kann“.[21] Tatsächlich beeinflussten kommerzielles Profitdenken und Nützlichkeitserwägungen viele Company-Vorhaben. Jedoch verliehen die Direktoren auch weniger auf praktische Anwendungen hin ausgerichteten Studien wie naturphilosophischen, archäologischen oder linguistischen Untersuchungen – wenn auch selten und unsystematisch – materielle Unterstützung. Damit verfolgte sie nicht zuletzt strategische Motive, um angesichts der unablässigen Kritik an Korruption und Missmanagement des Company-Reiches die eigenen Handels- und politischen Privilegien vor der wachsenden Kontrolle durch das britische Parlament zu verteidigen.[21] So der Botaniker Joseph Hooker in einem anonymen Pamphlet, RBG, JDH 2/ 9, Folder no. 1, Seiten unnumeriert.

16Da die Brüder Schlagintweit – anders als Gentlemen scholars wie Alexander von Humboldt oder der Evolutionstheoretiker Charles Darwin – über kein Privatvermögen verfügten, das ihnen größere Unabhängigkeit von den Interessen der indischen Kolonialherren verschafft hätte, galt es für sie von Anfang an auch ihre britischen Auftraggeber in den Verhandlungen über ihre wissenschaftliche Mission gebührend zu berücksichtigen. So meisterten die Brüder zunächst einen Spagat: sie wandelten den stark begrenzten geomagnetischen Vermessungsauftrag in ein transdisziplinäres Großprojekt um. Dieses sollte nicht nur zahlreiche Felder der Naturgeschichte Indiens und Hochasiens thematisch abdecken, sondern auch als Teil ihrer geologischen Studien etwaige natürliche Ressourcen, wie Kohlevorkommen, in den Blick nehmen.[22] Zugleich erhielt mit dieser Humboldt’schen Orientierung ihr Auftrag eine starke ästhetisch-visuelle Dimension. Schon früh entschieden die Brüder, physikalische Phänomene, Landschafts- und später auch Kulturformationen in Zeichnungen, Photographien und Karten festzuhalten.[22] Vgl. Adolph Schlagintweit, „Proposed Operations“, National Archives, Kew (London), BJ 3/ 53.

17Während die Schlagintweits zu den Alpen kaum nennenswerte Sammlungen angelegt hatten, wurde ihr indisches Forschungsprogramm zu guter Letzt noch um die Absicht einer logistisch extrem aufwendigen Akkumulation ethnographischer und naturhistorischer Objekte ergänzt. In den Augen britischer Berater und kritischer Beobachter ihrer Reisevorbereitungen war die Umsetzung dieser ambitionierten Agenda von vornherein unrealistisch, ja unmöglich. Es spiegelte die Schlagintweit’sche Unkenntnis der geographischen Verhältnisse in Indien wider, wenn etwa der ihnen wohlgesonnene Royal Society-Mann Edward Sabine zu ihren geplanten Routen in Nordindien im Winter 1855/56 lediglich bemerkte: „impossible in one winter. There are no roads & much of the country is very unhealthy even in winter.“[23] Andere erfahrene Indienreisende wie der Botaniker Joseph Hooker sahen in den Plänen sogar ein „mindestens achtjähriges Programm“ für die Brüder und das Erfordernis eines „Stabs von Assistenten“ von mindestens „300 Personen“. Hooker befürchtete daher, die wertvollen und begrenzten Forschungsgelder der Ostindienkompanie würden im Feuer der Schlagintweit’schen Ambitionen nutzlos verbrannt werden.[24] Jedoch verhallten seine zum Teil durchaus berechtigten Befürchtungen. Auch sein gemeinsamer Plan mit Murchison, den Brüdern einen weiteren fähigen Geologen aus Bern während der Expedition zur Seite zu stellen, um exakte Forschungsergebnisse zumindest auf diesem Feld sicherzustellen, scheiterte.[23] Ibid., mit Marginalien von Edward Sabine. [24] Im Original: „a programme of at least 8 years work for himself, his brother & a staff of assistants, & which will require a much greater outlay than the E.I. Company will probably be prepared to allow, both for instruments & travelling schemes.“ Joseph Hooker an Edward Sabine, unbekanntes Datum, aber vor dem 24. Mai 1854, National Archives, (Kew), BJ 3/ 53.

18Nachdem die Schlagintweits ihre Vorbereitungen in London und Paris abgeschlossen hatten, brachen die Brüder am 20. September 1854 über Ägypten nach Indien auf. Während ihrer Schiff- und Überlandpassagen begannen sie ihre wissenschaftlichen Messungen; immerhin führten sie einige Hundert – teils äußerst fragile – Instrumente mit. Mindestens ebenso schwer wog jedoch der Druck der vielfachen Erwartungen, die auf ihren Schultern lasteten. Humboldt erhoffte sich nicht nur, dass seine eigene Forschungstradition mithilfe der Brüder ungebrochen fortgeführt würde, sondern auch, dass die preußischen Museumssammlungen durch diese Mission bedeutend bereichert werden könnten. Friedrich Wilhelm IV. und der bayerische König suchten ihren royalen Glanz als generöse Förderer der hohen Wissenschaften (scilicet ohne die Verfolgung kolonial-kommerzieller Interessen in den bereisten Gebieten) zu erhöhen. Andere deutsche Geographen und Kartographie-Experten – in der Regel waren letztere „armchair cartographers“, die auf möglichst genaue Beobachtungen und geographische Bezeichnungen durch Forschungsreisende angewiesen waren –, hofften auf Klärung zahlreicher Unstimmigkeiten bei indischen topographischen Bezeichnungen durch die Schlagintweit’sche Unternehmung. Die Company-Direktoren in London, welche die zahlreichen geplanten Vorstöße der Brüder in für Europäer wenig oder noch ganz unbekanntes Terrain in Hoch- und Zentralasien sanktioniert hatten und sich dabei das Recht vorbehielten, den Brüdern gezielte Forschungs- und Beobachtungsinstruktionen zu geben, konnten wiederum auf eine gewinnbringende Verbindung von eher theoretischen Naturforschungen mit der Verfolgung ganz praktischer Überlegungen und der Feststellung von Ressourcen hoffen.[25] Die Brüder selbst verfolgten, wie zu zeigen sein wird, dabei stets ihre ganz eigene Agenda, die in Teilen selbst Humboldts weitreichende Pläne überstiegen.[25] „Your proposed plan of operations will be communicated to the Government of India, and will be subject to such modifications as from time to time may seem to the Government desirable or requisite”, J. D. Dickinson, Sekretär im East India House (London), an Adolph Schlagintweit, 10. Juni 1854, British Library, IOR, E/ 1/ 300, 1854, 1715.

19Angesichts dieser enormen Bandbreite eines Interessengeflechts an Erkenntniszielen und Patronage-Strukturen, das sich hinter der Expedition verbarg, überrascht es nicht, dass das Verhältnis der Brüder zu ihren imperialen Haupt-Sponsoren innerhalb der EIC durchgehend ambivalent blieb. Der Charakter ihrer Mission hatte etwas gleichsam Chamäleonhaftes. Wie in dem buddhistischen Gleichnis von den „Blinden Männern und dem Elefanten“, die je nach betastetem Körperteil ganz unterschiedliche Beschreibungen des Tieres gaben, schien auch die Bedeutung und Zielsetzung der Schlagintweit’schen Unternehmung je nach dem Standpunkt der zeitgenössischen Betrachter zu wechseln.[26] Die Brüder hatten wesentlichen Anteil an dieser changierenden Einschätzung ihres Unterfangens, stellten sie doch selbst ganz unterschiedliche Aspekte ihrer prinzipiell vielschichtigen Mission vor einem jeweils speziell adressierten Publikum in den Vordergrund – und verschwiegen dabei bewusst andere, ad hoc weniger passende Dimensionen der Expedition. Schon wenige Wochen nach ihrer Rückkehr unterschlugen sie vor geographischen Fachkollegen in Paris die imperialen Aspekte ihrer Mission vollends, während sie nahezu zeitgleich in (geheimen) Verhandlungen mit den Behörden in London den Verlauf der ganzen Expedition allein in der Ausrichtung auf utilitaristische Motive hin präsentierten.[27][26] Laumakis 2018, 84f.[27] Vergleiche die Dokumente im Anhang: (a) Hermann und Robert Schlagintweit, „Aperçu sommaire des résultats de la Mission scientifique dans l’Inde et la Haute Asie”, Extrait des Comptes rendus des séances de l’Académie des sciences , 45 (1857), 1–7; und (b) Hermann Schlagintweit, “Practical Objects connected with the Researches of the MM. Schlagintweit, under the Orders of the Hon. Court of Directors”, 21. September 1857, British Library, London, MSS EUR, F 195/5.

20Auch in der neueren Geschichtsschreibung zur Schlagintweit-Expedition in ihren verschiedenen europäischen und imperialen Kontexten finden sich mitunter kuriose ‚blinde Flecken’.[28] Zum einen wurde bislang kaum ernsthaft berücksichtigt, dass die Brüder von einem fremden Herrschaftsimperium (und nicht von einer „Handelsgesellschaft“) angestellt waren, dass Britisch-Indien noch immer kolonial expandierte und ihre Mission die Schlagintweits mehrfach in politisch extrem volatile Grenzgebiete jenseits von Nordindien führte.[29] In diesen Gegenden, wie im Fall des chinesisch kontrollierten Turkestans, rangen unterschiedliche (Groß-)Mächte und lokale Bevölkerungen um die Vorherrschaft. Es brachen immer wieder regionale Unruhen und Rebellionen aus, in die auch die Brüder auf tragische Weise verwickelt werden sollten.[30] Zum anderen wurde oftmals fälschlicherweise angenommen, dass das vorab in London verhandelte und gebilligte Programm eins zu eins die dann tatsächlich realisierten Praktiken und Operationsfelder der Brüder in Asien wiedergegeben hätte. Das Gegenteil war der Fall.[28] Vgl. die etwas abrupten Schlussbetrachtungen in Finkelstein 2000, 179–214.[29] Ein neue Kontextualisierung der Mission findet sich in Brescius/Kleidt/Kaiser 2015, besonders in den Beiträgen von Brescius und Hermann Kreutzmann.[30] Fletcher 1978, 329–32.

21Ihr – wie Kritiker unterstrichen – extrem „lose formulierter“ Vertrag mit den imperialen Behörden erlaubte den Brüdern zahlreiche Neu-Interpretationen und Ergänzungen des Missionsprogramms noch während der Reise.[31] Vertraglich nicht vereinbart, begannen die Brüder schon bei der Hinreise über das Mittelmeer und entlang des Horns von Afrika, Humboldts „erfahrene[m] Rathe folgend“, eine am Ende 750 Dokumente umfassende Serie von Landschafts-Zeichnungen anzufertigen. Dazu ergänzten die Brüder auf „Erläuterungsblättern verschiedene Bemerkungen u[.] numerische Data in Bezug auf die Zeichnungen“.[32] Obgleich die Brüder zuvor in den Alpen weder gesellschaftlich-kulturelle Beobachtungen angestellt noch ethnographische oder anthropologische Feldstudien in Indien bei ihren Verhandlungen in London angekündigt oder erwähnt hatten, erweiterten sie ihre Forschungs-Agenda gleich im ersten indischen Hafen um den Vorsatz, umfangreiche physiognomische Studien zu betreiben.[31] Huxley 1900, I, 329.[32] Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Bombay, 10. November 1854 (https://edition-humboldt.de/H0016441).

22Große Ansicht (Digilib)Abb. 1: Die Schlagintweit-Serie der ethnographischen Köpfe aus Indien und Hochasien an der Rückwand, unterhalb des Schriftzugs „Collection Schlagintweit“ und oberhalb von Vitrinen mit Menschenschädeln und Skeletten. Ausschnitt aus einer Photographie von Auguste Dollot, „Galerie de Paléontologie, Eléphant de Durfort“, welche die „Galeries d’anatomie comparée et de paléontologie“ zeigt; Bild vom 23. September 1908. © Muséum national d’Histoire naturelle, Paris, IC 4514. Angesichts des gänzlich neugeweckten Interesses an der „rassischen“ Varietät im ethnisch extrem heterogenen Bombay (Mumbai) produzierten die Brüder sogleich eine photographische Serie von Porträts, deren Reiz sie so hoch einschätzten, dass sie wenige Wochen später erste Exemplare an den preußischen König sandten.[33] In Bombay erlernten sie vom britischen Journalisten und Wissenschaftler George Buist die Methode, von indigenen Gesichtern, Händen und Füßen plastische Abformungen in Gips zu fertigen, um so anthropometrische Studien anhand lebensechter Modelle vornehmen zu können. Diese Technik, zuerst 1837–1840 während einer französischen Pazifik-Expedition unter Jules Dumont D’Urville angewendet, überzeugte die Schlagintweits so sehr, dass sie im Laufe der Asien-Reise 275 Gesichtsabbildungen und einige Dutzend Abdrücke der Hände und Füße von Einheimischen mit nach Europa brachten. Diese wurden alsbald in anthropologischen Sammlungen, in dem Museum des East India House in London und sogar in verschiedenen Naturkundemuseen (!) wie dem Muséum national d’Histoire naturelle in Paris ausgestellt (Abb. 1).[33] Vgl. Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Bombay, 14. Dezember 1854 (https://edition-humboldt.de/H0016463).

23Obwohl niemals Teil der offiziellen Abmachungen mit dem Direktorenhof, zählten ihre rassisch-anthropologischen Studien aus Süd- und Hochasien später mit zu den wichtigsten Forschungsbeiträgen ihrer ganzen Mission. Für Joseph Barnard Davis, den damals führenden Anthropometriker in Großbritannien, stellten ihre rassischen Vermessungen lebender Subjekte gar „by far the most important contribution ever made to Indian Ethnology“ dar. Die Brüder wiederum druckten diese optimale Einschätzung in einem international zirkulierenden Verkaufskatalog für ihre industriell unendlich reproduzierbare ethnographische Köpfe-Galerie ab.[34] Das Beispiel ihrer anthropologischen Studien macht deutlich, wie entscheidend es ist, vorschnelle Urteile über diese Expedition zu vermeiden. Vielmehr gilt es, genau zu rekonstruieren, welche Forschungsziele die Brüder während der Reise letztlich verfolgten, welche wissenschaftlichen Praktiken sie anwendeten und wie ihr bereits umfangreich verändertes Programm nochmalige Änderungen vor Ort, durch unmittelbare Kontakte und Anregungen im kolonialen Indien, erhielt.[34] Prospectus of Messrs. de Schlagintweits’ Collection of Ethnographical Heads from India and High Asia (Schlagintweit, H./Schlagintweit, R. 1859), Seite iv.

24Diese fortlaufende Transformation des Schlagintweit’schen Forschungsprogramms wird ebenfalls anschaulich an dem Beispiel ihres deutlich gesteigerten Interesses an indischen Flussverläufen als möglichen Transport- und Handelswegen. Während die Brüder sich bereits bei der Alpen-Erkundung für das Phänomen der Erosion und Gebirgsmorphologie interessiert hatten, erhielten sie nun durch den stellvertretenden Leiter der Indischen Landvermessung, Captain Henry Thuillier, die Empfehlung, auf die Schiffbarkeit der Wasserwege zu achten – genau, wie Thuillier es in einem weitverbreiteten Handbuch für britische Offiziere und Surveyors in Indien aus dem Jahr 1851 ausführlich beschrieben hatte.[35] Tatsächlich studierten die Schlagintweits dann auch ganz penibel und dem vorgegebenen Modell folgend nicht nur die „Geschwindigkeit und Wassermassen, usw. von verschiedenen Flüssen während der gesamten Reise“, sondern untersuchten auch „die Form und Höhe ihrer Bänke“, die „Breite“ der Wasserwege und die spezifische mineralische Wasserqualität.[36] Dies erlaubte es, später zu entscheiden, ob das chemisch analysierte Wasser eines indischen Flusses für die Bewässerung etwa von Baumwollpflanzungen verwendet werden konnte.[37][35] Thuillier/Smith 1851.[36] Schlagintweit, R. 1857, 215.[37] Die Wasserproben der Brüder wurden anschließend in London chemisch ausgewertet in Verbindung mit Versuchen, indische Baumwollfelder zu bewässern: Forbes Watson an J. Danvers, 4. August 1859, British Library, IOR, MSS EUR F195/ 5. Siehe auch Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Darjeeling, 24. April 1855 (https://edition-humboldt.de/H0016453).

25Exemplarisch zeigt sich hier, wie sich Humboldt’sche Untersuchungen zur indischen Hydrographie problemlos mit Kolonialinteressen vereinbaren ließen, zum Beispiel die der agrikulturellen Ressourcenoptimierung, der Ermittlung von nutzbaren Transportwegen, etwa für Holzvorkommen, oder der Ausbeutung der von den Brüdern neuentdeckten Kohlereserven.[38] Durch die Einbettung der Expedition in koloniale Infrastrukturen und persönliche Austauschbeziehungen mit britischen Funktionsträgern änderte die Expedition während des Verlaufs ihren Charakter: Sie wandelte sich in nicht unerheblichem Grade zu einer großangelegten Studie mit einem zusätzlichen Fokus auf zivilisationstechnisch nutzbare Naturressourcen und die zukünftigen Möglichkeiten weißer Besiedlung in klimatisch günstigen Hochlandgebieten – angesichts der hohen Sterblichkeitsraten von europäischen Company-Beamten und Kolonialtruppen.[39] Tatsächlich sollte die medizinische Topographie, die Erforschung der Bewohnbarkeit von Landstrichen und das Zusammenspiel von Tropenkrankheiten und geographischer Lage, gerade den in Indien an Malaria erkrankten Hermann Schlagintweit sein restliches Leben lang beschäftigen.[40][38] So beanspruchte Hermann, „in den Hügelreihen am Nord-Rande der Tarái […] sehr schöne Braunkohle in tertiären Schichten“ erstmalig aufgespürt zu haben – ein Fund, den er „dem Chef der provinziellen Verwaltung, Colonel Jenkins“ durch Vorlage einiger „Exemplare dieser Kohle und Angaben über die Lagerstellen“ umgehend empfahl. Siehe Schlagintweit, H. 1869–1880, I, 110–11.[39] Dies wird deutlich in Schlagintweit, H./Schlagintweit, A./Schlagintweit, R. 1861–1866, IV, über indische Meteorologie.[40] Dazu ausführlich Brescius 2019, Kap. 8.

26Dennoch erschöpften sich die Schlagintweit’schen Forschungsinteressen in Indien niemals in praktisch-kolonialem Utilitarismus. Dies wird nicht zuletzt in dem engen Briefkontakt mit dem preußischen König und mit Alexander von Humboldt deutlich. Humboldt, der Spiritus Rector des Unterfangens in der Frühphase, förderte weiterhin und gleich in mehrfacher Funktion die Expeditions-Ausführung in Asien und die öffentlichkeitswirksame Darstellung ihrer Ergebnisse in Europa. Erstens fungierte Humboldt, wie es zahlreiche Schlagintweit-Briefe aus dem Feld illustrieren, als ewiger Bittsteller beim Monarchen für weitere finanzielle Zuwendungen an das Reise-Trio. In mehreren Eingaben, versehen mit wortgewandten Schmeicheleien, sollte der anfänglich von Friedrich Wilhelm IV. zugesagte Betrag von dreimal jährlich 350 Talern pro Bruder immer weiter erhöht werden. Das strategische Kalkül der Schlagintweits, Humboldt als ihren Fürsprecher bei der Krone einzusetzen, begann bereits sechs Wochen nach ihrer Landung in Indien.[41] Die Gründe für den erhöhten Geldbedarf waren laut Auskunft der Brüder vielfältig: Es galt, Beamte oder sogar höchste Würdenträger in nicht-britisch beherrschten Gebieten, wie etwa den Raja von Sikkim im östlichen Himalaya, für einen freieren Zugang zu seinem Herrschaftsgebiet zu bestechen. So schrieb Hermann Schlagintweit an Humboldt im April 1855: „Zugleich wird es ganz unvermeidlich sein […] den Beamten des Raja oder vielmehr indirect ihm selbst bedeutende Geschenke bis zum Betrage von etwa 1000 Rupien à 20 Sgr zu machen, um unterwegs nicht aufgehalten zu werden[.] Diess wird zunächst von dem vom Könige zu erhaltenden Beitrage zu bezahlen sein“.[42] Auch wollten die Brüder durch preußische Geldspritzen weitere Instrumente für die Ausrüstung erwerben. Zu guter Letzt scheuten sie davor, die entstandenen enormen Kosten für die Akquisition und den Transport ihrer umfangreichen Sammlungen allein den britischen Behörden zu präsentieren. Humboldt gelang es mit der Fürsprache bei seinem Souverän, dabei flankiert von einem weiteren, in Berlin gebliebenen Schlagintweit, dem jüngeren Bruder Emil, immer weitere Zuwendungen vonseiten Preußens sicherzustellen – inklusive einem vierten Jahressalär für einen angesetzten Expeditionszeitraum, in dem die Brüder de facto weniger als drei Jahre lang unterwegs waren.[41] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Bombay, 14. Dezember 1854 (https://edition-humboldt.de/H0016463).[42] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Darjeeling, 24. April 1855 (https://edition-humboldt.de/H0016453).

27Europäische ‚Entdeckungsreisen‘ waren zu dieser Zeit breit rezipierte Medienereignisse. Sie fesselten die Imagination der (entstehenden) nationalen Öffentlichkeitssphären in Europa und setzten mitunter beachtliche Ressourcen frei – etwa in Fällen einer Suche nach verschollenen Entdeckern. Aus der Sicht metropolitaner Beobachter waren Expeditionen ohne publizistische Ausbeute und medialen Trubel gar keine echten Forschungsreisen.[43] Auch für die wissenschaftliche Vermarktung der fortlaufenden wissenschaftlichen Ergebnisse der Brüder in Asien war Humboldt die zentrale Mittlerfigur. Ihre gemeinsame Korrespondenz zeigt ein ausgeklügeltes System, durch das die Schlagintweits die kontinuierliche Zurschaustellung ihrer Reise-Ergebnisse aus der Ferne sorgfältig organisierten. Auf der einen Seite waren sie vertraglich gebunden, in regelmäßigen Abständen an die britischen Behörden „Field Reports“ zu schicken, die dann umgehend im Journal der ehrwürdigen Asiatic Society of Bengal erschienen. Da dieses Organ auf englisch publiziert wurde und in Kontinentaleuropa schwer zugänglich war, fädelten die Brüder geschickt eine möglichst breite Rezeption ihrer Erkenntnisse in anderen Fach-Zeitschriften ein – so auch in den deutschen Ländern. Humboldt wurde teilweise genauestens, bis auf die einzelne Seite eines Briefes, instruiert, an welches Journal welche Teile der Schlagintweit’schen Feld-Berichte zu senden waren. So entstand ein effizientes internationales Distributionsnetzwerk, das ihrer Mission eine mediale Berichterstattung von Berlin über Paris bis nach London sicherte und ihre Ergebnisse mit geringem Zeitverlust an Spezialistenkreise gelangen ließ.[44] So hieß es bereits kurz nach Beginn der Expedition an Humboldt: „Wir haben uns erlaubt an den König nicht nur einen Bericht über die Reise (vielleicht mit Ausnahme des ersten und letzten Satzes für die geogr. Gesellschaft passend), sondern auch den officiellen Rapport an die indische Regierung zu übersenden“.[45] Die Brüder gaben ganz offen den Versuch einer ‚Imagepflege‘ auch im Hinblick auf London zu, ließen sie ihren preußischen Verbündeten doch wissen, dass „die Directoren es jedenfalls sehr günstig aufnehmen würden, wenn sie sehen, daß man auch außerhalb von England unseren Beobachtungen in Indien eine gütige Theilnahme schenkt“.[46][43] Driver 2013, 167.[44] Robert Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Leh, in Ladak, 26. September 1856 (https://edition-humboldt.de/H0016455).[45] Hermann Schlagintweit an Ailexander von Humboldt, Darjeeling, 24. April 1855 (https://edition-humboldt.de/H0016453).[46] Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Bombay, 10. November 1854 (https://edition-humboldt.de/H0016441).

28Große Ansicht (Digilib)Abb. 2: August Petermann. „Skizze zur Uebersicht der Reiserouten der Gebrüder Schlagintweit in Indien, vom 5. Nov. 1854 bis 26. Februar 1856“, A. Petermann, „Die Reisen der Gebrüder Schlagintweit in Indien bis zum 26. Febr. 1856“, Petermanns Geographische Mitteilungen, 2 (1856), 104–8, 104. Die bürgerliche Unterhaltungskultur in Europa versprach zu dieser Zeit in verschiedenen Formen die Möglichkeit zum Reisen im Geiste, sei es durch den Besuch von exotischen Dioramen, durch die Lektüre von oftmals ins Sensationelle gesteigerte Reisebeschreibungen und geographischen Zeitschriften-Artikeln, durch den Besuch von öffentlichen Vorträgen der von Reisen zurückgekehrten Entdecker oder durch das Aufsuchen von „Wunderkammern“ und (halb-)öffentlichen Museen. Eine europäische Leserschaft blieb in den Jahren 1854–1858 bestens über den Fortgang der Schlagintweit’schen Reisen durch Bild und Schrift informiert: Carl Ritter nutzte das Organ der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin für zahlreiche Updates zu ihrer Expedition, die auf Zusendungen der Brüder selbst basierten oder durch die Vermittlung neuester Routen und Beobachtungsdaten durch die Company-Direktoren aus London zustande kamen. August Petermann, einer der einflussreichsten deutschen Kartographen des 19. Jahrhunderts, veranschaulichte die Itinerare der Reisegruppen auf den Monat genau (Abb. 2) mit großflächigen Darstellungen in seiner Zeitschrift, die in einer Auflage von 5.000 Exemplaren erschien.

29Schließlich war Humboldt, immer noch eine internationale Ikone der Wissenschaften, ein wichtiger Türöffner für den Zutritt der Brüder in wissenschaftliche und offizielle Kreise Britisch-Indiens. Seine zahlreichen Empfehlungsbriefe stellten sie höchsten Amtsträgern, glänzenden Orientalisten, Naturforschern und den einschlägigen Institutionen des Company-Reiches vor. In einem effizienten Schneeballsystem reichte diese erste Kontaktaufnahme durch den preußischen Mentor, um dann weitere Unterstützungsschreiben von britischen Würdenträgern für die Fortsetzung der Expedition quer durch den Subkontinent und bis in den Himalaya hinein sicherzustellen. Auf diese Weise fanden sich die Brüder bestens vernetzt in der Forschergemeinde und politisch-diplomatischen Szene dieser wichtigsten britischen Übersee-Kolonie: „mit dem besten Danke erwähnen [wir,] wie wichtig und werthvoll Ihre Briefe uns waren. Überall wurden wir in Folge Ihrer warmen Theilnahme an unseren Bestrebungen mit der grössten Zuvorkom̅enheit aufgenom̅en und fanden stets alle Hülfe der Behörden die wir zur Förderung unserer Beobachtungen wünschen konnten“.[47][47] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Darjeeling, 24. April 1855 (https://edition-humboldt.de/H0016453).

30In der Tat erfuhren die Brüder während der gesamten Zeit ihrer dienstlichen Anstellung wirkungsvolle Hilfe durch die höchste Führungsschicht der Kolonialregierung. Auch waren einige, durchaus delikate Reisepläne der Brüder direkt von der diplomatischen Unterstützung durch die Behörden abhängig. Dies zeigte sich eindrücklich in ihrer Absicht, das fast gänzlich verschlossene Nepal bereisen zu dürfen. Diesen Wunsch zu erfüllen, erforderte einen sich letztlich über zwei Jahre hinziehenden diplomatischen Verkehr. Gegen Ende ihres Aufenthaltes in Indien erhielt zumindest Hermann Schlagintweit eine Reise-Erlaubnis[48]:[48] Vgl. Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Darjeeling, 24. April 1855, Bl. 65v (https://edition-humboldt.de/H0016453): „doch sind vom indischen Gouvernement bereits sehr specielle Vorschläge an die nepaulesische Regierung gemacht worden“; siehe auch den Brief von Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Rawalpindi, 11. Dezember 1856 (https://edition-humboldt.de/H0016446).

Nach ängstlichem Zweifeln, ob meine Reise nach Nepal, die ich fast mit zu grosser Zuversicht in meinem letzten Briefe erwähnte, wirklich zur Ausführung kom̅en werde, erreichte ich […] die Station Patna, wo ich einen Brief vom nepalesischen Gouvernment fand, durch den sowohl mir als meinem Establishment von Beobachtern und Sam̅lern die Reise nach Nepal gestattet wurde.[49][49] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Kathmandu, 7. März 1857, Bl. 388r (https://edition-humboldt.de/H0016464).

31Offizielle Unterstützung für Hermann Schlagintweits Gesuch kam von ganz oben. So waren nicht weniger als der amtierende Generalgouverneur von Britisch Indien, Lord Dalhousie, und der politische Vertreter in Kathmandu, Colonel Ramsay, bei diesem Verhandlungserfolg eingebunden.[50] Die Frage der britischen Zugangsrechte zu formal unabhängigen indischen Staaten war ein hochsensibles Feld. Nur wenige Jahre zuvor war es fast zu einer militärischen Konfrontation zwischen der EIC und dem Herrscher von Sikkim gekommen, als zwei britische Naturforscher ohne formale Erlaubnis in das Königreich eingedrungen waren und dort beinahe ermordet worden wären. Die Brüder Schlagintweit reisten durchweg als offizielle Angestellte der Ostindienkompanie, mit Papieren, die ihnen auch bei anderer Gelegenheit Zutritt und Unterstützung von indischen Fürstenhöfen sicherten. „Diese Dokumente waren von größter Wichtigkeit für uns, um unsere Mission in Länder hinein zu erweitern, die wir sonst nicht hätten hoffen können je zu erreichen, und welche tatsächlich weit jenseits unserer anfänglichen Pläne lagen.“[51][50] Schlagintweit, H./Schlagintweit, A./Schlagintweit, R. 1861–1866, I, 29. [51] Schlagintweit, H./Schlagintweit, A./Schlagintweit, R. 1861–1866, I, 6.

32Der Briefwechsel mit Alexander von Humboldt zeigt jedoch auch eindrucksvoll, dass die Brüder – angesichts der Präsenz zahlreicher Konsuln aus Preußen und aus Hamburg sowie anderer deutscher Forscher in britischen Kolonialdiensten – de facto auf alternative Kommunikations- und Transport-Netzwerke in Indien zurückgreifen konnten. Hier offenbarte sich die ganze Ambivalenz ihrer Position während des Unternehmens. Die Schlagintweits waren auf der einen Seite Insider, vertraglich gebundene Angestellte der britischen Kolonialregierung und unternahmen (wie der Titel ihrer wissenschaftlichen Abhandlung klarmachte) ihre Expedition „by order of the court of directors of the honourable East India Company“. Auf der anderen Seite waren sie jedoch auch Outsider mit ihrer nicht-britischen Herkunft und mit privaten wissenschaftlichen Verbindungen, Loyalitäten und Orientierungen, welche die Ebene ihrer Unterordnung unter die Ziele der EIC weit überstiegen. Diese Ambiguität führte einerseits zu Verdächtigungen im kolonialen Indien, die Brüder könnten britische Interessen in Zentralasien durch heimliche Kooperation mit dem imperialen Hauptrivalen Russland verraten.[52] Andererseits verschaffte diese Zwitter-Stellung ihnen zugleich auch wertvolle Freiräume für wissenschaftliche Projektdetails und für ein doppeltes Spiel mit ihren britischen und deutschen Gönnern. Dies betraf zum Beispiel die Beschaffung von Informationen und Kartenmaterialien aus den deutschen Ländern, welche die Brüder für qualitativ hochwertiger hielten als das, was ihnen fortlaufend von den britischen Behörden bereitgestellt wurde:[52] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Rawalpindi, 11. Dezember 1856 (https://edition-humboldt.de/H0016446).

Wir haben oft sehr vermißt, keine Karten vom westlichen Asien u. Central Asien zu besitzen auf der wir im Stande waren die vielen uns von Eingeborenen jener Länder (reisenden Kaufleuten) gegebenen geographischen Nachrichten u Routen verfolgen u eintragen zu kön̅en. Einige kleine englische Karten die wir uns zu diesem Zwecke in Calcutta verschafften sind sehr schlecht u ganz unbrauchbar. Es wäre uns sehr nützlich einige der fleißigen und vollständigen Übersichtskarten zu besitzen die Herr Prof. Ritter u Herr Dr. Kiepert in Berlin publicirten.[53][53] Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Kardong in Lahaul (Kulu), 15. Juni 1856, Bl. 3r (https://edition-humboldt.de/H0016442).

33Auch wohnten die Brüder temporär bei deutschen Konsuln in Südasien und ließen die über 40.000 gesammelten Objekte zur Natur- und Kulturgeschichte der von ihnen durchreisten Gebiete durch den Hamburger Konsul in Bombay, August Heinrich Huschke, nach London spedieren.[54] Politisch gewagter war ihr letztlich erfolgreicher Versuch, gegen den Willen der EIC sowohl wissenschaftliche Instrumente aus Preußen nach Indien schicken zu lassen als auch große zusätzliche Geldsummen an den britischen Behörden vorbei in ihre Taschen zu schleusen, was wiederum über den preußischen Konsul Kilburn in Calcutta (Kalkutta) erfolgen sollte.[55][54] „Wir wohnen hier in dem hübschen Landhause des Hamburgischen Consuls Herrn Ventz“, Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Bombay, 10. November 1854 (https://edition-humboldt.de/H0016441). Vgl. zu Huschke: Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Sangor, 15. Dezember 1855, BSB München, Schlagintweitiana, II.1.43, Bl. 210.[55] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Rawalpindi, 11. Dezember 1856 (https://edition-humboldt.de/H0016446).

34Entgegen einer Tendenz der früheren Schlagintweit-Literatur, die Britisch-Indien eher als statische Kulisse denn als einwirksamen Hintergrund für die Aktivitäten der Brüder darstellte, gilt es, den bedeutenden Einfluss der kolonialen Infrastruktur in Südasien auf das Forschungsprogramm der Brüder zu beachten. So fertigten die Brüder zahlreiche ethnographische Photographien und anthropometrische Vermessungen an – und zwar von ganzen Körpern indischer Subjekte, die in kolonialen Gefängnissen, darunter ein Teil von ihnen gefesselt, einsaßen. Sie erhielten zudem aus den Beständen indischer Krankenhäuser rare Exemplare menschlicher Gebeine – zur Ergänzung von Schädeln und kompletten Skeletten, welche die Brüder eigenhändig aus Grabstätten plünderten: „Im Gebiete von Nationen, welche begraben, wie die Mussalmans und in Tibet die Buddhisten, war es eher möglich durch Oeffnen nicht zu alter Gräber noch gut conservirte Skelette sich zu verschaffen“, notierte Hermann später.[56] Zum Präparieren dieser menschlichen (aber auch zahlreichen tierischen) Relikte für ihre Sammlungen führten die Brüder in ihrem Gefolge extra einen bone-boiler („Knochenauskocher“) mit.[57] Dies verweist auf einen nicht zufälligen, sondern vielmehr systematisch geplanten, aus heutiger Sicht ethisch höchst fragwürdigen Erwerb solcher Artefakte. Als Company-Angestellte genossen die Brüder zudem weitere Privilegien, darunter das Recht, indische Träger auch gegen deren Willen in den Dienst entlang ihrer Routen zu pressen, wie dies sonst bei Militärmärschen britischer Kolonialtruppen der Fall war.[56] Schlagintweit, H. 1869–1880, I, 235; II, 428.[57] Siehe sein photographisches Porträt durch die Brüder in BSB München, Schlagintweitiana, IV.2.63.

35Doch hatten die technischen Infrastrukturen der britischen Kolonialmacht eine noch fundamentalere Bedeutung für die Ausführung der Schlagintweit-Mission. Dies betrifft die Frage, wie der enorm ausgedehnte und komplexe Subkontinent zeitgleich in Hinsicht auf verschiedene Naturphänomene vermessen werden konnte. Auch wenn die Brüder fast durchgehend getrennt reisten, um den Aktionsradius ihrer Beobachtungen und Messdatenerhebungen zu vergrößern, durchquerten sie nur relativ kleinere Ausschnitte des riesigen Company-Reiches. Zudem hielten sie sich lediglich von Oktober 1854 bis Sommer 1857 in dieser Weltregion auf – zu kurz, um ausreichende Beobachtungsdaten und Erfahrungswerte zu bestimmten lokalen Klimaphänomenen im zeitlichen Verlauf persönlich sammeln zu können. Der aus diesen zeitlichen und geographischen Defiziten entstehende Bedarf an zusätzlichem Material hatte mehrere Folgen. Die Brüder schafften es, von den Kolonialbehörden wertvolle, äußerst seltene meteorologische Aufzeichnungsbücher als Leihgaben zu erhalten, die ihren eigenen Datenfundus erweiterten und um zahlreiche frühere Mess-Jahrgänge ergänzten.

36Große Ansicht (Digilib)Abb. 3: „Map of Isodynamic Lines“, mit einem „Sketch of the Isodynamic Lines of Relative Total Intensity for the Surface of the Earth, Reduced from General Sabine’s Map“, in der oberen rechten Ecke; Physical Maps 3, Hermann Schlagintweit et al., Atlas. © Archiv des Alpinen Museums, DAV, München. Noch entscheidender war es, dass die Brüder ganz unterschiedliches Personal der Company-Angestellten und ein Ensemble von technischen Aufzeichnungsstationen für weitere Erhebungen, parallel zu ihren eigenen Messungen, während ihrer Expeditionszeit mobilisieren konnten. Wie es auch Alexander von Humboldt nur zu genau wusste, führten die Verfasstheit der globalen Kolonialgebiete und das Netz von Messstationen der Briten und anderer Imperialmächte Regie bei der Frage, welche physikalischen Kräfte zeitgleich über weite Distanzen hinweg empirisch bestimmt werden konnten.[58] Auch solche avantgardistischen Forschungsinteressen der Humboldt’schen Wissenschaft, wie die von Humboldt selbst energisch geförderte Untersuchung des Erdmagnetismus oder meteorologischer Muster und transkontinentaler Klimaphänomene, verlangten mitunter in der Tat „die Mobilisierung von symbolischen, politischen [und militärischen] Ressourcen, die weit über den Bereich abstrakter Wissenschaft hinausgingen.“[59] Fürwahr eindrücklich zeigten später zahlreiche großflächige Visualisierungen von Naturphänomenen und physikalischen Kräften in dem dann mit großem Erfolg publizierten Atlas der Schlagintweit-Mission, wie das globale British Empire die conditio sine qua non für eine weltumspannende Bestimmung etwa von isothermen oder isodynamischen Linien war (Abb. 3).[58] Reich/Knobloch/Roussanova 2016; dazu auch Fara 1996, Kap. 4.[59] Driver 2001, 26 (im Original: „disinterested knowledge“). So war die Royal Navy in den „Magnetischen Kreuzzug“ Großbritanniens eingebunden; Cawood 1979.

37Große Ansicht (Digilib)Abb. 4: „Section across the Brahmaputra River, near the Lighthouse on the Rocks of Oorbosee, Gowhatty“. Darin eine kleinere „Section of the small Nullah“, d. h. Schlucht, „near the Suspension Bridge at the West end of the Station of Gowhatty“, mit weiterführenden wissenschaftlichen Anmerkungen. Gerade im kolonialen Indien waren einzelne Forschungsexpeditionen selten völlig autonome, von ihrer Umwelt abgehobene Unternehmungen. So gilt es auch für die Schlagintweit’sche Reisen, die vielfältigen Austauschbeziehungen zwischen den mobilen Expeditionstruppen und britischen Institutionen in den Blick zu nehmen. Dabei werden zahlreiche Austausch- und Abhängigkeitsverhältnisse sichtbar. So erhielten die Brüder immer wieder geschultes Personal in Form von einheimischen draughtsmen (Zeichnern), die ihnen zum Beispiel vom Generalquartiersmeisterstab in Bombay und Madras offiziell gestellt wurden. Die Zusammenarbeit mit britischen Amtsträgern und Zentren der kolonialen Wissensproduktion erstreckte sich auch auf die prompte Umsetzung ihrer Feldnotizen und Skizzen in wissenschaftliche Bildgestaltungen, welche die publizierten Field Reports der Schlagintweits noch während der Expeditionsausführung schmückten. Die rastlosen Brüder lieferten dem Büro des indischen Generalvermessers in Dehra Dun und Calcutta laufend ‚Rohmaterial‘, das in diesen fixen „Kalkulationszentren“ zu hochwertigen Ansichten verarbeitet wurde (Abb. 4, Brahmaputra).[60][60] te Heesen/Spary 2001, 216.

38Große Ansicht (Digilib)Abb. 5: „Uebersichts-Karte. Indien u. Hochasien: Gebirgssysteme, Terrainstufen und Flussgebiete, Provinzen und Regierungssitze, nebst Angaben der Schlagintweit’schen Routen von Herm., Ad. u. Rob. mit Einschluss getrennter Nebenmärsche des Gefolges von 1854–1858“, (1:16½ Mio.), Geogr. und physical. Karten, I. Aus: Hermann Schlagintweit, Reisen in Indien und Hochasien, Bd. 1, Leipzig 1869. © Archiv des Alpinen Museums, DAV, München. So wird deutlich, dass die deutsch-britische Expedition eine fortlaufende Kooperation zwischen extrem mobilen und stationär beschränkten Akteuren umfasste. Dies wirft die Frage auf, wo räumlich-strukturell genau die Grenzen der Schlagintweit-Mission lagen? Gehörten etwa solche Company agents, die über Jahre hinweg – von den Brüdern instruiert, aber institutionell unverbunden – für ihre Expedition an verschiedenen Orten in Indien Messdaten erhoben, zu den informellen Strukturen dieser Unternehmung? Die vielfältige externe Partizipation an ihrer Expedition haben die Brüder damals selbst hervorgehoben – etwa indem sie die Reiserouten, die ihre zahlreichen indischen und zentralasiatischen Assistenten zum Teil monatelang selbständig auswählten und befolgten, in die offizielle Kartographie der Schlagintweit-Mission eintrugen (Abb. 5, Uebersichtskarte). So veranschaulichten sie, dass ihr Projekt ein zutiefst kooperatives Unterfangen war, das europäische und asiatische Akteure ganz unterschiedlicher Nationalitäten und kultureller Zugehörigkeiten in wechselnden hierarchischen Konstellationen zusammenbrachte.

39In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, danach zu fragen, welche bedeutsamen Aspekte der Expedition in der Korrespondenz mit Humboldt nicht zur Sprache kamen. Dies betraf etwa die wichtigen, zum Teil unersetzlichen Funktionen der zahlreichen asiatischen Begleiter, Wegführer, Übersetzer und Informanten der Schlagintweits, die einen nicht zu überschätzenden Einfluss hatten – gerade auf die Durchführung der wichtigsten Reise-Abschnitte jenseits von Britisch-Indien im kaum erschlossenen Zentralasien. In diesen Phasen lag die eigentliche Führung der Expeditionstruppen grundsätzlich in fremden Händen. Die Brüder sahen sich nolens volens gezwungen, ihre Routenwahl, Proviantversorgung und sonstige Reise-Ausstattung einem ihrer angeworbenen Führer, dem türkisch-stämmigen Händler namens Mohammad Amin, anzuvertrauen: „one must entrust one’s self [sic] unreservedly to him, yield one’s self [sic] unconditionally to him, and give effect to his arrangements, even when these appear singular, peculiar, and surprising“.[61][61] BSB München, Schlagintweitiana, V.2.2.2, Bl. 42.

40Dieser Fall einer völligen persönlichen Abhängigkeit der deutschen Naturforscher legt ein neues Verständnis für den Charakter einer solchen ‚europäischen‘ Forschungsreise nahe. Lenkt man den Fokus auf die real stattgefundenen Interaktionen innerhalb der ethnisch und kulturell extrem heterogenen Reisetruppe, so verbietet es sich, eine solche Expedition – zumal in einem für Europäer unbekannten Gebiet – als ein von der Spitze her unilateral beherrschtes, fixes Unternehmen aufzufassen. Die umherziehenden Expeditionstruppen waren vielmehr ein sich bewegender, komplexer Mikrokosmos, der zu ständig wechselnden Kulturkontakten und Hierarchiegefügen zwischen den deutschen Forschern und ihren indigenen „Establishments“ führte. Während die Brüder in Company-Gebieten die dominanten Akteure darstellten und relativ autonom über Itinerare und Reisemodalitäten entschieden, kam ihnen diese Macht- und Autoritätsposition jenseits der nordindischen Frontier abhanden. Dies drückte sich auch in den sehr hohen Salären ihrer rekrutierten einheimischen Wegführer und Übersetzer aus.

41Jenseits der kolonialen Grenzgebiete begegneten den Schlagintweits auch ganz neue Herausforderungen in der Informationsbeschaffung. So mussten sie sich immer wieder auf ihnen gänzlich unbekannte Informanten verlassen. Mit besonderer Vorliebe fiel dabei ihre Wahl auf eher zufällig angetroffene ,Kandidaten’ wie zentralasiatische Karawanenhändler oder Kaufleute. Doch es blieb nicht nur bei solchen Informationsquellen und kurzen Gesprächen. Vielmehr warben die Schlagintweits eine Reihe „intelligenter Handelsleute“ in Hochasien dafür an, komplett die Führung ‚ihrer‘ Expedition zu übernehmen.[62] Es ist nicht ohne Ironie, dass einige der wichtigsten geographischen Entdeckungen der Brüder in solchen Gebieten Zentralasiens gemacht wurden, die in Europa als terra incognita firmierten und doch eigentlich gewissen Leuten ein völlig vertrautes Gelände waren – nämlich als ein Operationsgebiet türkischer und jüdischer Händler und Schmuggler, deren intime Routenkenntnisse sich als besonders wertvoll für die Brüder bei ihren heimlichen Vorstößen in das chinesisch kontrollierte Turkestan herausstellten. Dies unterstreicht, dass die Frontier – das Grenzgebiet jenseits der kolonial erschlossenen Gebiete – „immer eine Frontier in Bezug auf Europa ist“, die letztendlich in einer europäisch-expansiven Sicht auf den Rest der Welt wurzelt.[63][62] Adolph Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Kardong in Lahaul (Kulu), 15. Juni 1856, Bl. 3r (https://edition-humboldt.de/H0016442).[63] Pratt 2008, 8.

42Die Schlagintweits waren sich ihrer prekären, nicht ungefährlichen Abhängigkeit von der Führung durch unbekannt rekrutierte Bewohner und Reisende in Hoch- und Zentralasien durchaus bewusst. Zum Teil drohten sie ihren angeheuerten Wege-Lotsen offen mit brutaler Vergeltung, sollten diese je versuchen, die Brüder außerhalb von britisch-kontrollierten Gebieten zu verraten. Die Schlagintweits waren in Hoch- und Zentralasien durch zahlreiche Sprach-, Religions- und Kulturbarrieren sogar von Mitgliedern ihres eigenen Gefolges getrennt. Denn dieses wurde je nach bereister Region neu zusammengestellt, um so fortlaufend dienliche Routen-, Sprach- und Logistik-Kenntnisse in die Expeditionstruppen einzuspeisen. Wie buntgescheckt eine solche Gruppenkonstellation sein konnte, bemerkten die Schlagintweits später selbst: „Zu einem Zeitpunkt umfasste unser Camp eine höchst interessante Vielfalt von Stämmen und Religionen, und schien geradezu ein ethnographisches Museum mit lebenden Objekten zu formen.“[64] Dieses „Museum“ umfasste gleichzeitig Anhänger von sechs Religionen, die in elf verschiedenen Sprachen kommunizierten.[64] Schlagintweit, H./Schlagintweit, A./Schlagintweit, R. 1861–1866, I, 42.

43Besonders bei Gebirgsexkursionen in großer Höhe verloren die Brüder an Autorität gegenüber ihren hinduistischen Begleitern. Da für letztere die Berge lebende Gottheiten waren, mussten diesen zahlreiche Opfer gebracht werden. Die Brüder wurden von den religiösen Zeremonien strikt ausgeschlossen. Und als bei einer besonders dramatischen Bergbesteigung zahlreiche Begleiter von Adolph Schlagintweit unter der Höhenkrankheit und epileptischen Anfällen litten, war nicht Adolph Schlagintweit, sondern nur ein begleitender Brahmane in der Lage, eine gefährliche Situation wieder unter Kontrolle zu bringen, die sich schnell gegen den deutschen Forscher hätte richten können. All diese Aspekte eines relativen Machtverlustes der Brüder innerhalb ihrer eigenen Mission wurden in der Korrespondenz mit Humboldt unterschlagen, sind jedoch äußerst belangvoll für die Erlebnisse der Brüder im Felde. So verdankte zum Beispiel Hermann Schlagintweit sogar sein Überleben einem seiner indischen Begleiter; denn laut seinem eigenen Bericht war es die „gefährliche Operation“ durch einen indischen Arzt, genannt Harkishen, die ihn ein übles, potenziell fatales Geschwür am Rücken überstehen ließ.[65][65] Schlagintweit, H. 1869–1880, I, 256–7.

44Für ein besseres Verständnis des vielschichtigen sozialen Gefüges innerhalb einer solchen Expedition und ihrer fragilen Informationsbeschaffung in unerforschten Gebieten ist zuletzt zu betonen, dass Auskünfte von locals oder angetroffenen asiatischen Reisehändlern und Pilgern nicht immer nur leicht und arglos zu nutzende Wissensquellen für die Brüder bedeuteten. Vielmehr verfolgten auch die Bewohner der durchreisten Gebiete und dortige Amtsträger ihre eigenen Interessen und Motive bei der Begegnung mit europäischen Forschern. So musste Robert Schlagintweit erleben, wie ein Lama aus China, mit dem er sich zufällig angefreundet hatte, versuchte, ganz bewusst die Geographie-Kenntnisse der europäischen Entdeckungsreisenden über sein Land zu verwirren. So bot der Geistliche an, Robert die Zeichnung einer exakten Route von ihrem Treffpunkt in Leh (Nordindien) bis nach Peking, dem Sitz der chinesischen Regierung, anzufertigen. Als das kartographische Werk übergeben war und die Brüder die Angaben überprüften, stellte sich der Täuschungsversuch schnell heraus. Aufschlussreich ist Roberts spätere Einschätzung der Motivation dieses Informanten. Dieser sei, ebenso wie seine Regierung, nach den Erfahrungen des ersten Opiumkriegs (1839-1842) und der gewaltsamen Öffnung der chinesischen Küste, von folgender Ansicht überzeugt gewesen:

Nur mit der größten Unwahrscheinlichkeit wird China jemals von den Europäern erobert werden, wenn seine geographischen und topographischen Verhältnisse für jedermann unbekannt bleiben als Folge völlig misrepräsentierter Fakten.[66][66] Über die Episode, BSB München, Schlagintweitiana, V.2.2.2, Bl. 29ff. (im Original: „only with the greatest impossibility will [China] ever be conquered by Europeans, if its geographical and topographical conditions remain unknown to everybody in consequence of entirely misrepresented facts”).

45Trotz der Gefahr, das Ziel bewusster Falschinformationen zu werden, erhöhte sich die Abhängigkeit der Schlagintweits von externen Gewährsmännern aufgrund ihrer hochgesteckten Ziele. Tatsächlich wuchsen die Herausforderungen durch das übermütig große Itinerar der Brüder. Auch sie versuchten – ja, waren aus zeitlichen Gründen schlichtweg gezwungen –, eine ‚Wissenschaft aus der Bewegung‘ zu betreiben. Nicht zuletzt, um ihre von früh an geplanten Routen in dem riesigen Subkontinent und in Teilen Hoch- und Zentralasiens bewältigen zu können. Der weniger als drei Jahre dauernde Aufenthalt der Brüder in Asien, in dessen Verlauf sie etwa 29.000 Kilometer in teils schwer zugänglichen Hochgebirgsregionen zurücklegten, erforderte eine auf raschen Transit angelegte Expedition, die entgegen eigenen Vorstellungen und Wünschen wiederholt keine längerfristigen Lokalstudien zuließ. Dies berichteten die Brüder Humboldt wie folgt: „Ein sehr bedeutender Theil unserer Ausgaben sind persönliche für Zelte, Bediente[,] Pferde und besonders für Träger (Coolies), Ausgaben, die in Indien stets sehr gross sind, und besonders bei beständigem Reisen sich rasch anhäufen“.[67][67] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Rawalpindi, 11. Dezember 1856 (https://edition-humboldt.de/H0016446).

46Eine Konsequenz dieses Modus einer nahezu ununterbrochenen Mobilität war, dass auch in Bezug auf die Ambitionen ihrer Sammeltätigkeit Kompromisse gefunden werden mussten. So nahmen die Brüder notgedrungen in einigen Gebieten ganze Dörfer in Dienst, Belege für lokale Flora und Gesteine zusammenzutragen. Solchen ungeschulten Hilfskräften fehlte jedoch oftmals die Fähigkeit, bei der Aufnahme mineralogischer Proben und von Pflanzenexemplaren den genauen Standort festzuhalten und so die unverzichtbaren wissenschaftlichen Begleitinformationen solcher Objekte zu sichern. Dieses Manko nahm Tausenden von mitgebrachten naturhistorischen Objekten die forschungsdienliche Relevanz.[68] Eindrücklich ist das Beispiel ihrer mineralogischen Sammlungen aus Asien. Nachdem ein späterer Verkauf durch einen deutschen Mineralienhändler gescheitert war, gab Emil Schlagintweit diesem „die freundliche Zustimmung zur Abfuhr des werthlosen Gerölles“ und erhielt im Gegenzug eine Einladung nach Bonn, um „einen Spaziergang auch über den Weg [zu] machen, der damit gepflastert worden.“[69][68] Das Fehlen eines genauen wissenschaftlichen Katalogs verringerte auch den Wert der 557 von den Schlagintweits in Asien gesammelten edlen Holzdurchschnitte: siehe den Bericht „L. No. 1069, The Schlagintweit Collection of Indian timbers”, National Archives of India, Delhi, Home, Revenue & Agricultural Department, Forests; Progs. January 1882, Nos. 87/92 B.[69] Rheinisches Mineraliencomptoir Dr. A. Krantz an Emil Schlagintweit, 12. Mai 1887, BSB München, Schlagintweitiana VI.5.2.

47Trotz dieser partiellen Makel informierten die Brüder Schlagintweit Humboldt stolz über die enormen Quantitäten des angehäuften Materials. Dabei machten sie weitreichende Versprechungen, was dies für die Bereicherung preußischer Institutionen bedeute, ohne jedoch ihre eigenen, weiterreichenden Pläne offenzulegen. Im Dezember 1856 schrieben sie an ihren preußischen Förderer:

Auch unsere Sammlungen, sowohl in Beziehung auf Geologie, geographische Botanik und Zoologie, als auch auf Ethnographie sind, glaube ich, ziemlich vollständig. Wir haben während der Monate März und April 1856 210 grosse Kisten an das India House abgesandt, jüngst 109, die Sammlungen dieses Jahres enthaltend. Von allem sind stets Douppletten vorhanden, und ich hoffe, dass es uns wohl gelingen wird vom Court of Directors einen grossen Theil auch für Preussen zu erhalten.[70][70] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Rawalpindi, 11. Dezember 1856, Bl. 369r (https://edition-humboldt.de/H0016446).

48Humboldt war von dem Sammeleifer seiner Schützlinge begeistert; die Menge ihrer mitgebrachten Artefakte repräsentierte für ihn die „wichtigste je aus Innerasien nach Europa gelangte“ Sammlung.[71] Bereits kurz nach der Rückkehr von Hermann und Robert im Mai 1857 frohlockte Humboldt in einem Brief an den preußischen König: „Die Sammlungen die sie bringen und die im ostindischen Hause jezt liegen aber zur Hälfte hieher kommen sollen, werden unsere Museen auf das Glänzendste bereichern“.[72] Dem folgte eine euphorische Aufzählung der asiatischen Ausbeute: „Herbarien von der Meeresküste bis zu 21000 Fuss Höhe am Ibi Gamin in Thibet gesammelt, mit allen Angaben der Höhen 3000 Arten; in 12000 Exemplaren. Fünf- bis sechs hundert Baumschnitte von prachtvollen Hölzern“, dazu 6000 Vogelskelette und Bälge, ferner „46 Schädel verschiedener Menschenracen“ sowie „250 Gipsabgüsse der Gesichter der Racen, mit vielen dazugehörigen Lichtbildern; 50 bis 60 Abgüsse von Händen und Füssen (also Gyps, viel Gyps, aber von der lebenden Creatur genom̅en).“ Die anthropologische Sektion umfasste weiterhin „20 complete Skelette von Menschen im Himalaya, Thibet, schwer zu erlangen[.]“ Bedeutsam erschienen Humboldt auch die spektakulären „geologischen Sammlungen, alle Gebirgsarten umfassend „vom 5ten bis 37sten Grad der Breite von der Insel Ceylon bis Khotan am nördlichen Abfall des Kuenlun, wohl 20,000 Stücke Gebirgsarten, von denen Deutschland bisher kein einziges besizt“. Dazu kam noch ein „Schaz von Versteinerungen in Kreide und Tertiärgebirgen[.]“ Auch mitgebrachte Kuriositäten unterstrich Humboldt an Friedrich Wilhelm IV., darunter das „wirkliche Gehörn des Einhorn, ein wildes Schaf dessen 2 Hörner so nahe stehen dass sie[,] unten eine Wulst bildend[,] in ein einziges Horn zusammenwachsen“.[71] Alexander von Humboldt an den Kultusminister Karl Otto von Raumer, Berlin, 8. Februar 1858, SBB-PK, Handschriftenabteilung, Nachlass Alexander von Humboldt, Kl. K. 1a, Nr. 8y, Bl. 1r (http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001768000000000).[72] Alexander von Humboldt an Friedrich Wilhelm IV., GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 19767, Bl. 51v.

49Während Humboldt und der König zu dieser Zeit noch annahmen, dass die Objekte auf bereits bestehende Häuser und Sammlungen verteilt werden würden (wie etwa ihre lebendig mitgebrachten Tiere direkt in den Berliner Zoo wanderten), gingen die Museumspläne der Schlagintweits weit darüber hinaus. Nachdem sie ihre Asienreise im Anblick der reichen Schätze des imperialen Ostindien-Museums in London (Leadenhall Street) vorbereitet hatten (in das auch die Hälfte ihrer Dubletten und alle Unikate gingen), waren sie zu der Idee eines eigenen Indischen Museums in Preußen inspiriert worden. Der Plan für solch eine bemerkenswerte institutionelle Erweiterung der preußischen Kulturlandschaft wurde zum ersten Mal am 19. August 1857 in Briefen aus London an ihre deutschen Förderer ausgesprochen.[73] Das ambitionierte Projekt wurde in den Folgemonaten zunächst durchaus erfolgreich angeschoben. So erhielten Robert und Hermann ansprechende Ausstellungssäle im damaligen Schloss Monbijou und in Räumen der Berliner Börse. Aufwendig wurden für mehrere Tausend Taler Vitrinen bestellt, Querschnittprofile edler Holzgewächse aus Asien einseitig poliert, lackiert und auf metallene Dreifüße montiert.[73] Hermann Schlagintweit an Ernst Emil Illaire, GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 19767, „Acta des Kgl. Geh. Cabinets betr. die von den Gebrüdern Dr. Hermann Alfred Robert Schlagintweit und Dr. Adolph Hugo Schlagintweit aus München, jetzt in Berlin eingereichten Schriften etc. 1852–1885“, Bl. 61f.; Hermann Schlagintweit an den Preußischen Ministerpräsidenten Otto Theodor von Manteuffel, London, 19 August 1857, ebd., Bl. 63–65: „[…] unsere ausgedehnten Sammlungen und Manuscripte complet nach Berlin zur Bearbeitung herüberzunehmen und die Hälfte derselben zur Aufstellung in einem eigenen Museum in Berlin zu behalten.“

50Die Brüder hatten im Sommer 1857 die Erlaubnis der Ostindienkompanie erhalten, große Teile ihrer Sammlungen und Aufzeichnungsnotizen (in über 40 Bänden) für die Ausarbeitung ihres wissenschaftlichen Traktats zunächst nach Preußen mitzunehmen, da die anstehende umfangreiche Analyse des mitgebrachten Materials deutlich günstiger in Berlin als in London ausfallen würde. Dazu schrieb einer der Company-Direktoren:

Da die Kosten der Haus-Miethe, der Zeichnungen, der Analysen etc. etc. welche nöthig sind, um die Resulthate der von der Direction befohlenen magnetischen Beobachtungen und physicalischen Forschungen in einen für die Veröffentlichung geeigneten Zustand zu versetzen, viermal so groß in London als in Berlin gewesen wären, so ist es Herrn Hermann Schlagintweit auf eignen Vorschlag und dringende Bitte gestattet worden, die Sammlungen nach Berlin bringen zu lassen, damit er mit denselben mit größerer Bequemlichkeit arbeiten könnte, als in London möglich wäre; und die Direction schlug dem Controllen-Amte vor, Herrn Hermann und seinem Bruder Robert eine mäßige Summe für sich auf ein Jahr wie auch ein Etablissement zu bewilligen, damit die Resultate ihrer Arbeiten in englischer Sprache ausschließlich im Namen der Ost-Indischen Compagnie veröffentlicht werden könnten.[74][74] William Henry Sykes an den Vizepräsidenten der Royal Society, Edward Sabine, 1. März 1858, GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 19767 „Acta des Kgl. Geh. Cabinets betr. die von den Gebrüdern Dr. Hermann Alfred Robert Schlagintweit und Dr. Adolph Hugo Schlagintweit aus München, jetzt in Berlin eingereichten Schriften etc. 1852–1885”, Anlage IV.

51Auf Basaren und bei Zusammentreffen mit reisenden Händlern hatten die Brüder auch umfangreiche Serien von indischen und zentralasiatischen Textil- und Papierproben erwerben können. Diese wurden nun in neun Büchern unter dem Titel „Technical objects from India and High Asia“ und mit spezifischen Anmerkungen zur jeweiligen Region sowie geschlechts- und sozialspezifischen Konsumpraktiken und angefügten Samplemustern zusammengebunden. In einem begleitenden Prospectus zu diesen technisch-handwerklichen Produkten hieß es explizit, dass deren Analyse und industrielle Nachahmung in Europa „nicht ohne praktischen Nutzen“ seien, „um den internationalen Handel zu fördern“. Die Begründung lautete, dass diese nun industriell reproduzierbaren Textilien von europäischen Produzenten „den wenig kultivierten Stämmen, die an das indische Empire angrenzen“, in Zukunft „angeboten werden könnten.“[75][75] Im Original: „might be offered to the little cultivated tribes surrounding the Indian empire“.

52Ihr Projekt eines Indischen Museums in der preußischen Hauptstadt sollte jedoch nur bis 1860 Bestand haben. Nachdem ein Schwindel der Brüder aufgeflogen war, die zunächst behauptet hatten, ein eigenständiges Museum sei eine explizite „Forderung“ der britischen Ostindienkompanie gewesen – als Bedingung dafür, Preußen die eine Sammlungshälfte zu überlassen –, geriet das Projekt in die Mühlen der staatlichen Bürokratie.[76] Als sich dann noch Friedrich Wilhelm IV., der dem Projekt sehr gewogen war, nach einem Schlaganfall im Oktober 1857 aus den aktiven Regierungsgeschäften zurückziehen musste, ohne dass je schriftliche Vereinbarungen über die Neugründung des Museums getroffen worden waren, hing das Projekt der Brüder am seidenen Faden.[77] Letztendlich stimmte eine eingesetzte Expertenkommission in Berlin 1858 gegen eine permanente Aufstellung der Sammlungen in einem separaten Haus. Wie in einem „Bericht der Kommission an den Minister“ Karl Otto von Raumer, Humboldts Widersacher, ausgeführt wurde:[76] Bericht des Gesandten Albrecht von Bernstorff an Ernst Emill Illaire, 30. Juli 1858, Bl. 168–172, 170, GStA PK, 1. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 19767 „Acta des Kgl. Geh. Cabinets betr. die von den Gebrüdern Dr. Hermann Alfred Robert Schlagintweit und Dr. Adolph Hugo Schlagintweit aus München, jetzt in Berlin eingereichten Schriften etc. 1852-1885“. Zum Täuschungsmanöver der Schlagintweits vgl. auch die Korrespondenz zwischen dem Leiter des Berliner Meteorologischen Instituts Heinrich Wilhelm Dove, Edward Sabine und William Henry Sykes, ebd., Anlagen I–IV. [77] Kleidt 2015.

Mögen in England solche die verschiedenartigen Gegenstände umfassenden Museen eine gewisse Berechtigung haben, für Preußen passen sie nicht und würden nur dazu dienen, die Schaulust der neugierigen Menge zu reizen, die wissenschaftliche Ausbeute aber, welche sie bei gehöriger Sonderung des Zusammengehörigen und sachkundiger Sichtung gewähren können, wesentlich beeinträchtigen. Ein Indisches Museum in Berlin wäre vollends eine Kuriosität.[78][78] Bericht über die Ergebnisse der Kommission für den Minister, GStA PK, I. HA Rep. 76 Kultusministerium, Ve Sekt. 1 Abt. XV zu Nr. 189 Beiheft, „Acta Commissionis des Geh. Oberregierungsraths Lehnert betreffend den Erwerb der Sammlungen der Gebrüder Schlagintweit“, 29. März 1858, ohne Paginierung.

53Trotz der nun auch in Preußen deutlich zu vernehmenden Kritik an den Ergebnissen der Brüder, denen etwa die Fachleute eine tiefergehende Expertise in verschiedenen Wissensbereichen rundweg absprachen, hielt Humboldt treu an den Leistungen seiner Protegés fest. Er baute einige ihrer Beobachtungen vom Himalaya noch in die letzten Teile des Kosmos ein. Als der Stern der Brüder in Preußen durch die Museumskontroverse immer weiter sank, setzte er sich unberührt davon vehement dafür ein, den „Löwen des Tages“ königliche Orden zu verleihen – welche die Brüder, reichlich selbstbewusst, in eigener Person von Preußen einforderten. Die Schlagintweits, die bald in den gebildeten Kreisen von Berlin getadelt wurden, „ein bisschen Ordensjäger“ zu sein, organisierten zudem ihren weiteren sozialen Aufstieg durch geschickte Versprechungen – nun an die Adresse des bayerischen Königs. Wie das preußische Satireblatt Kladderadatsch dann auch im Oktober 1859 verkündete: „Man schreibt uns aus München: So eben hat unsere bürgerliche Gesellschaft einen schmerzlichen Verlust erlitten. Die Inhaber der Firma ‚Gebrüder Schlagintweit’ sind in den Adelsstand erhoben worden.“[79][79] Kladderadatsch 1859.

54Die Brüder hatten Maximilian II. durch eine Eingabe wissen lassen, dass diese Standeserhöhung ihre Verhandlungsposition mit den britischen Behörden in London stärken und es ihnen zudem erlauben würde, größere Teile ihrer mitgebrachten Bestände auch für die Sammlungen in ihrem bayerischen Geburtsland zu sichern. Doch war die Nobilitierung nur der Auftakt einer größtenteils selbst von den Brüdern eingefädelten, veritablen Serie von wissenschaftlichen Auszeichnungen aus den deutschen Ländern sowie anderen europäischen und außereuropäischen Staaten. So erhielten die Brüder im gleichen Jahr die hohe, von Humboldt persönlich angeregte Auszeichnung der Goldenen Medaille der Société de Géographie in Paris für ihre herausragenden Forschungsleistungen in Hochasien. Während in England zur gleichen Zeit Stürme der Entrüstung ob der kostspieligen Förderung der drei deutschen Forscher losbrachen – die angeblich bereits von britischen Naturhistorikern vorgelegte Ergebnisse als die eigenen verkauft hätten –, wurden ihre Leistungen nun auch in der deutschen Öffentlichkeit (trotz der preußischen Querelen) immer stärker glorifiziert. Populärwissenschaftlichen Kultstatus erhielten die Brüder zuletzt durch eine gleich fünfmalige namentliche Erwähnung ihrer Expedition in den französischen und später in zahlreiche Sprachen übersetzten Reiseromanen von Jules Verne, einem leidenschaftlichen Geographen mit besten Verbindungen zur Pariser Geographischen Gesellschaft.

55Humboldt selbst genoss bis zu seinem letzten Lebensjahr den wissenschaftlichen Austausch mit den Schlagintweits, insbesondere über die von ihnen bereisten Hochgebirge in Asien. Er ließ sich ausführlich über asiatische Bergnamen, deren Aussprache und Schreibweisen in verschiedenen europäischen und indischen Sprachen unterrichten, verlangte nach Auskünften zu Berghöhen und dem kontrovers diskutierten Verlauf der ewigen Schneegrenze im Himalaya, Karakorum und Kunlun. Humboldt beschäftigte auch das ungewisse Schicksal des „einige Monate länger“ in Hochasien verbliebenen dritten Bruders, Adolph Schlagintweit, der die Aufzeichnungen zur Expedition noch hatte vervollständigen wollen.[80] Nachdem zunächst monatelang ein Lebenszeichen ausgeblieben war, trafen zunehmend bedrückende Gerüchte und später Nachrichten in Europa ein, die bestätigten, dass Adolph in der umkämpften Oasenstadt Kaschgar (Chinesisch-Turkestan) im August 1857 brutal ermordet worden war.[81] Als ein Opfer seines Forschungsdrangs in den politisch sensiblen Grenzgebieten des Company-Reiches, wurde Adolph in der deutschen Öffentlichkeit zunehmend zum ‚Märtyrer der Wissenschaft‘ stilisiert. [80] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Kathmandu, 7. März 1857 (https://edition-humboldt.de/H0016464).[81] Hermann Schlagintweit an Alexander von Humboldt, London, 21. Juli 1858 (https://edition-humboldt.de/H0016437).

56Als der spektakuläre Plan eines eigenen permanenten Museums in Berlin gescheitert war, kauften die Brüder 1860 ein Schloss in Oberfranken und richteten es mit ihren asiatischen Artefakten und Landschaftsbildern als halb-öffentliches Museum ein. Dort empfingen sie internationale Gäste, eigens anreisende Wissenschaftler und Museumsdirektoren sowie fürstlichen und königlichen Besuch. Da die Jägersburg in Forchheim (Oberfranken) jedoch zu weit abgelegen von den großen Wissenschaftszentren war und finanzielle Engpässe die beiden Brüder Hermann und Robert bedrückten, wurde dieses Repräsentationsquartier nach einigen Jahren wieder aufgegeben. Nachdem die Bitte um Einrichtung eines Indischen Museums in München gescheitert war, wurden den Brüdern 1877 von König Ludwig II. immerhin Räumlichkeiten auf der Nürnberger Burg zugesprochen. Doch war auch dieses Ausstellungsarrangement nicht permanent, sodass letztendlich große Teile der Sammlungen verschenkt oder verkauft wurden und sich noch heute – über mehrere Kontinente hinweg verstreut – in privaten und öffentlichen Sammlungen befinden.

57Neben ihrem Streben nach einem musealen Erinnerungsort versuchten die beiden Brüder zudem, ein bleibendes Vermächtnis ihrer Expedition durch eine neunbändige, streng wissenschaftliche Abhandlung zu stiften. Ihre „Results of a scientific Mission to India and High Asia“ sollten, so die Absprache mit Humboldt, von Beginn an durch eine deutsche Ausgabe beim Verlag Brockhaus ergänzt werden. Für ihr projektiertes Monumental-Werk, das Indien und Hochasien aus ganz verschiedenen disziplinären Perspektiven darstellen und das europäische Wissen über diese außerordentlich komplexe Weltregion auf ein ganz neues Niveau heben sollte, nahmen sich die Schlagintweits nicht gerade bescheidene Vorbilder. An Humboldt schrieben sie entschuldigend: „So bedeutend auch dieser Preis von 162 Thaler für das ganze Werk von 9 Bänden mit einem Atlas von 100 Tafeln erscheinen mag, so dürfte doch zur Vergleichung an die Preise anderer, ähnlicher Werke […] hingewiesen werden“.[82] Dies bezog sich auf, erstens, die gewichtigen Descriptions de l’Égypte, die ein Team von über hundert Gelehrten nach dem französischen Ägyptenfeldzug (1798–1801) in jahrelanger Kooperation erarbeitet hatte. Das zweite von den Brüdern genannte Referenzmuster für ihr eigenes Publikationsvorhaben war das Karl Richard Lepsius’sche Opus Magnum in zwölf Bänden, die Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien, zwischen 1849 und 1859 in Berlin erschienen.[82] Hermann und Robert Schlagintweit an Alexander von Humboldt, Berlin, 20. März 1859, Bl. 132v (https://edition-humboldt.de/H0016451).

58Humboldt bat erneut den preußischen König um generöse Förderung des vorgeschlagenen Werkes, vermutete er doch, dass es keinen großen Markt für dieses Vorhaben geben würde: „Tibet und der Kuenlün (mein Dement) interessiren in Deutschland nicht wie Timbuctu“, ein Ort, der durch die Forschungsreise von Heinrich Barth (1853–1854) große öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland erregt hatte.[83][83] Alexander von Humboldt an Friedrich Wilhelm IV., GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 19767, Bl. 52r.

59Angesichts des neuen Schlagintweit’schen Höhenrekords bei der Hochgebirgsforschung europäischer Akteure – im August 1855 erreichten Adolph und Robert 6785 Meter auf dem Ibi Gamin (Kamet, Garhwal) – und der spektakulären Vorstöße aller drei Brüder in die Steppengebiete Zentralasiens, erscheint diese Einschätzung des Marktwertes ihrer Reisen durch Humboldt nicht ganz nachvollziehbar. Noch bevor Adolphs tragisch endende letzte Exkursion nach Zentralasien in Berlin bekannt geworden war, fuhr Humboldt in seinem Schreiben an den königlichen Patron fort:

„Niemals totgeglaubte Reisende sind keine erstandenen Leichen; sie sind geologisch, magnetisch, Schädel abformend, skelettirend; sie sind alles nur nicht dramatisch in den Augen der Menge. Drei solcher undramatischen Reisenden […] wollen aber essen. Ich flehe[,] schenken Ew Maj. zur Erleichterung der deutschen Ausgabe […] noch ein Jahr der bisherigen Unterstüzung.“[84][84] Alexander von Humboldt an Friedrich Wilhelm IV., GStA PK, I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode, Nr. 19767, Bl. 52r.

60Angesichts der bereits beachtlich angestiegenen Ausgaben für das Unternehmen durch den König, fügte Humboldt schmeichelnd hinzu: „Aber es ist Vollendung von dem was Sie ins Leben gerufen[,] zu Ehre und zum Glanze Ihrer Epoche!“ Doch wie sein eigenes Forschungswerk blieben auch die Publikationen der Brüder Schlagintweit ein Fragment. Nur ein Bruchteil ihrer Sammlungen wurde je wissenschaftlich aufbereitet und eingehend ausgewertet. Während die angedachte deutsche Ausgabe ihrer „Wissenschaftlichen Sendung nach Indien und Hochasien“ (so der Arbeitstitel) niemals zur Ausführung kam, musste die Veröffentlichung der englischen Ausgabe nach den ersten vier Bänden, die zwischen 1861 und 1866 erschienen, aufgrund zu hoher Kosten und mangelnder Würdigung durch Fachkollegen abgebrochen werden. Der trockene, überaus technizistische Charakter, Stil und Jargon der Results, in denen an keiner Stelle etwas von einer packenden literarischen Verarbeitung der Reiseerlebnisse in der Tradition von Humboldts Personal Narrative zu spüren war, fesselte wahrlich keine breite Leserschaft. Hermann reagierte auf diesen publizistischen Misserfolg mit einer späteren vierbändigen Reisebeschreibung auf Deutsch, die immerhin in einer dann stark gekürzten Bearbeitung Mitte der 1880er Jahre erneut aufgelegt wurde.[85][85] Schlagintweit, H. 1869–1880.

61Robert wandte sich hingegen ganz neuen Formen der Wissensvermittlung zu. Als er 1864 kurzzeitig eine außerordentliche Professur für Geographie und Statistik an der Universität Gießen bekleidete, hielt er Vorlesungen in diesem sehr jungen, noch kaum beliebten Universitätsfach lediglich vor einer Handvoll von Studierenden. Er brach seine universitäre Laufbahn nach nur einem einzigen Semester ab und trat dafür eine Zweitkarriere als enorm erfolgreicher Protagonist populärer Wissenschaftsvermittlung in verschiedenen deutschen, westeuropäischen, russischen und nordamerikanischen Städten an. Das von ihm als internationalem Vortragsreisenden selbstgeschaffene Unterhaltungsimperium dokumentierte er akribisch auf zigtausenden von eigenhändig geschriebenen Seiten und mit Zeitungscollagen. Er versuchte, sich dadurch ganz bewusst in den Popularisierungstrend der Wissenschaftsgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts einzuschreiben. In mehr als 1300 öffentlichen Vorträgen über die berühmt gewordene Asienreise und über seine beiden Durchquerungen des nordamerikanischen Kontinents (1868/1869 und erneut 1880) wurde er ein weithin gefeierter und zur Nachahmung anregender Pionier, der die Welten streng empirischer Forschung und wissenschaftlichen Spektakels in seinem Forscherleben gewinnbringend verband.

62Obwohl auch Hermann seinerseits hohe wissenschaftliche Ehren erhielt, 1863 zum Mitglied der Leopoldina und kurz vor seinem Tod 1881 zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewählt wurde, bleibt das wissenschaftliche Vermächtnis der Brüder zwiespältig. Sehr wohl waren ihre materiellen Sammlungen einzigartig. Ihre eindrucksvollen Objekte wurden gefeiert und auf verschiedenen Kolonialausstellungen und wissenschaftlichen Kongressen in den 1860er und 1870er Jahren unter großer öffentlicher Anteilnahme präsentiert. Eine Serie von 750 ästhetisch hochgelungenen Landschafts- und Architekturzeichnungen der durchreisten asiatischen Gebiete sind teilweise zu Ikonen geworden – etwa Bilder der asiatischen Hochgebirgslandschaften, die auch in England nur rühmliche Worte fanden. Und schon zu Lebzeiten galten ihre ethnographischen Studien, die anthropologischen Messungen und die dreidimensionalen Körperabformungen als grundlegende Beiträge dafür, die Vielfalt ethnischer Varietät im indischen Imperium zu erfassen.

63Und doch bleibt auch ein Eindruck des wissenschaftlichen Scheiterns zurück. Die Schlagintweits schafften es trotz eigener Ambitionen, zähen Willens und höchster Anstrengungen nicht, jemals in den Rang der großen europäischen Forscherpersönlichkeiten aufzusteigen. Genauso wenig gelang es den Brüdern, mit ihren hochtrabenden Publikationsvorhaben auch nur annähernd an das Format ihres persönlichen Vorbilds und unermüdlichen Mentors, Alexander von Humboldt, heranzureichen. Sie unternahmen ihre Expeditionen im Moment eines tiefgehenden epistemologischen Umbruchs in der empirischen Feldforschung und dem humanistisch-philologischen Studium fremder Kulturen. Durch die Untersuchung ihres Werdegangs – ihrer akademischen Ausbildung, ihren Vernetzungen, weitverzweigten Reisen und ambivalenten Rezeptionserfolgen lassen sich biographische Sackgassen, wissenschaftliche Umschwünge sowie allgemeiner die Bedingungen und Grenzen solcher Projekte wie dieses deutsch-britische Explorationsvorhaben in Übersee sinnfällig und als beispielhaft für die tieferen Umbrüche dieser Epoche nachvollziehen.

Anmerkungen

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Zitierhinweis

Brescius, Moritz von: Einleitung . Die Gebrüder Schlagintweit in Korrespondenz mit Alexander von Humboldt: Einblicke in einen epistemischen Umbruch. In: edition humboldt digital, hg. v. Ottmar Ette. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. Version 9 vom 04.07.2023. URL: https://edition-humboldt.de/v9/H0017989


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Über den Autor

 

Moritz von Brescius

Historisches Institut der Universität Bern, Ordinariat Neueste Geschichte

moritz.vonbrescius@hist.unibe.ch

Moritz von Brescius ist wissenschaftlicher Assistent am Ordinariat Neueste Geschichte des Historischen Instituts der Universität Bern. 2005–2010 Studium der Geschichte und Politikwissenschaft in Berlin (Freie Universität) sowie der Modern British and European History in Oxford. 2012–2014 Gastwissenschaftler an der Universität Cambridge. 2015 Promotion am Europäischen Hochschulinstitut, Florenz. Veröffentlichungen (Auswahl): Über den Himalaya. Die Expedition der Brüder Schlagintweit nach Indien und Zentralasien 1854 bis 1858, hg. mit Friederike Kaiser und Stephanie Kleidt. Köln: Böhlau Verlag 2015; German Science in the Age of Empire: Enterprise, Opportunity and the Schlagintweit Brothers. Cambridge: Cambridge University Press 2019.