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Mein theurer Willdenow! Es ist vor wenigen Wochen hier ein junger Mensch angekommen, Namens Sellow, der in dem botanischen Garten gearbeitet und der mir eine Empfehlung von meinem Bruder Wilhelm gebracht. Er sieht freundlich, munter und lehrbegierig aus. So elend auch Pflanzenzucht bekanntlich auch in Paris bestellt ist, so kann ihm sein Aufenthalt doch in mancher Rüksicht nüzlich werden. Da er in Malmaison keine Collegia hören kann, so habe ich es für besser gehalten, ihn im Jardin des plantes anzustellen. Bei dem Zufluß junger Leute hat man ihm nicht einmal die gewöhnlichen 34 Soli täglich schaffen können. Ich werde das erste Jahr gern für sein Auskommen sorgen, das heißt ich werde von meiner Arbeit mit ihm theilen. Ich kann mir Livres tournois: Münzeinheit (Frankreich)1200 livres abmüssigen, für das nächste Jahr muß man ihm von Berlin aus etwas verschaffen. Es hat mich tief geschmerzt daß Du ihn an Andere und nicht an mich empfohlen hast.
Der Zwek dieser Zeilen ist eine Bitte, theurer Willdenow, aber eine der
ernsthaftesten Angelegenheiten meines Lebens. Ich rede mit derselben
Offenheit und treuen Liebe zu Dir, als vor 19 Jahren, da ich zuerst Dir Hordeum murinum zur Bestimung brachte.
Die Bitte ist selbstsüchtig, aber vielleicht lassen sich mehrerlei
Interessen dabei vereinigen. Mein Werk ist
seiner Vollendung nahe. Sechs Quartbände sind fertig
Physique Générale oder
Géographie des plantes –
Humboldt 1808–1811.
[Schließen]Astronomie 2 Bände
–
Humboldt 1811–1833.
[Schließen]Zoologie –
Humboldt 1811.
[Schließen]Mexico 2 Bände. Dazu 3 folio Bände
Humboldt 1808–1813.
[Schließen]Plantes équinoxiales
– Humboldt/Bonpland 1816–1823 .
[Schließen]Melastomacées
– Humboldt
1813.
[Schließen]Monumens. Man drukt jezt an den Der Reisebericht (Relation historique – Humboldt 1814–1825) erschien
in drei Bänden, ein geplanter vierter Band ist nicht erschienen.
[Schließen]4 Bänden historische Reise. Schöll hat sich mit einem überaus
reichen und liberalen Buchhändler Stone
vereinigt, es fehlt weder an Geld, noch an Vorschuß. Man
verkauft jährlich für mehr als Livres tournois: Münzeinheit (Frankreich)140.000 livres von meinen Werken. Die
Botanik bleibt | 1vganz zurük. Seit 11 Monathen ist 1 Heft Humboldt/Bonpland 1808–1813.
[Schließen]plantes équinoxiales
und 1 Heft Humboldt/Bonpland 1816–1823.
[Schließen]Melastomacées erschienen. Die Ursachen brauche ich Dir nicht zu enthüllen. Zu dem
alten Uebel sind neue dazugekommen. Die Kaiserin
Josephine hält sich jezt bald in Malmaison bald in Navarre
auf, Bonpland hat sich ganz in die
administration geworfen, er hat Livres tournois: Münzeinheit (Frankreich)12000 livres Gehalt und verspricht wissenschaftliche Arbeiten die er nicht
leisten kann, selbst bei gutem Willen nicht leisten könnte. Es wäre unnüz
über verlorene Zeit zu klagen, es kommt darauf an, bessere Maaßregeln für die Zukunft zu nehmen. Bonpland
hat die vortreflichsten Eigenschaften des Herzens,
ich lebe auf dem freundschaftlichsten Fuße mit ihm, aber weder ich, noch er
selbst hat Einfluß auf ihn. Mir liegt wenig an den Humboldt/Bonpland 1808–1813
[Schließen]Plantes équinoxiales
und
Humboldt/Bonpland 1816–1823
[Schließen]Melastomacées. Mögen diese langsam hinschländern
– aber ich will nicht Europa verlassen
ehe ich nicht unsere Species habe erscheinen sehen, es sind gewiß
12–1600 neue Species nach denen zu urtheilen die Du schon beschrieben. Ich habe von
Bonpland
verlangt, daß er mir die Manuscripte 4 Quart- und
3 folio Bände herausgiebt, daß er mir die Herausgabe der Species überläßt. Wärst Du barmherzig
genug dieses Werk zu übernehmen. Hier meine Vorschläge, ganz frei und
zuthulich:
Du kämest mit Frau
und
Kind hieher. Ich gebe Dir ein hüpsches
Quartier, das mir gehört , das ich aber nicht bewohne nahe am Panthéon
und am Jardin des plantes. In Malmaison findest
Du auch Wohnung für Dich und
Deine Familie. Ich kenne Deine Art zu
arbeiten. In wenigen Monathen gehst Du
das Herbarium und die Manuscripte durch. Du machst Dir hier Auszüge, Du nimmst entweder die Manuscripte mit nach Berlin
oder was mir besser scheint, ich lasse abschreiben was Du willst. Eben
so nimmst Du die Pflanzen mit nach Berlin, die Du noch näher studiren mußt. Ich wünsche eine
Beschreibung ganz wie in Deinen Species. Zu allem was in unseren Manuscripten
und im Herbarium steht, wird Bonpl. oder
Humb. gesezt, zu allem was Du selbst beschreibst und discutirst Willd. So geschieht
jedem sein Recht. Ein Quart Band, linnäisch geordnet, entweder bloß neue Species
12–1600 oder
alle von uns gesammelte Pflanzen 5–6000. Ersteres hätte ich lieber, zu
jeder beinah haben wir etwas
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Beispiel Standort und Höhe wo die Pflanze wächst, wenig oder gar keine Synonima bloß Deine Species citirend. Das ganze Werk
lateinisch. Klein folio wie
Labillardière
1804–1806.
[Schließen]la Billardière, mit linear Zeichnungen, wo von schon ein 50 gestochen sind von
Sellier. Man kann 5–6–800 und mehr stechen, das Werk trägt Kosten.
Turpin zeichnet schnell und wünscht aus Armuth Arbeit. Du bezeichnetest hier, was Du
gezeichnet haben willst. Von jedem neuen genus läßt man eine Species vollständig schön zeichnen und stechen. Wäre man der neuen genera gewiß, so finge man damit an,
wo nicht, giebt man diese Zeichnungen (ich
meine die schattirten) in den plantes
équinoxiales. In einer Vorrede werde ich selbst aufs deutlichste
sagen was wir Dir verdanken: Titel Nova
genera et Species
plantarum
quas in itinere
collegerunt
Humboldt et Bonpland
, in ordinem
digessit
et
notas
luculentas
instruxit
Willdenow. Damit die Herausgabe des Textes,
welcher die Hauptsache ist, unabhängig bliebe von den Kupfern Dessin bzw. Gravure au trait: Umrisszeichnung
bzw. -stich.
[Schließen]au trait, hielt ich es für rathsam, die Kupfer im Texte gar nicht zu citiren und die Kupfer im gleichen formate ordnungslos Heftweise folgen zu lassen: Dann finge man mit Species
seltener generum an und hielt es das Publikum aus so ließe man den
Bettel der Salvien, Heliotropen und
Solanen folgen! Das alles, versteht sich, ganz wie Du es willst. Liegt es
in Deiner Lage den Vorschlag anzunehmen, so weiß ich was Dich bewegt, Liebe
zu mir, Gewißheit ein nüzliches Werk in die Welt zu bringen und der Wissenschaft, die Du neu begründet hast, einen
neuen Dienst zu erweisen. Ich muß noch einen Nebenpunkt berühren. Wir
dürfen uns nicht mit Deinem Schweiße bereichern. So bald Du die Reise
antreten kannst, zahlt Dir Friedländer
Franc: Währungseinheit (Frankreich)3000 francs,
es ist ein geringer Zuschuß zu den Reisekosten und so bald wir den Contract mit den Buchhändlern geschlossen haben,
schmeichle ich mir mehr anbieten zu können – und zwar unter dem strengsten Siegel der Verschwiegenheit. Es wäre
nicht recht von mir, Dich zu bereden. Ich könnte hinzufügen, Du
müßtest doch einmal das Dir so innigst verhaßte Paris sehen, die Herbaria werden Dich interessiren, der
Garten würde gewinnen wenn Du im Herbste August–November hier wärest, Du könntest eigene wissenschaftliche Plane anspinnen.
Ich verspreche, dazu mit Deiner theuren guten
Frau alle Schusterbuden von ganz Paris zu durchwandern!!
Willst Du schlechterdings nicht kommen, so müßte ich die Manuscripte
und das Herbarium nach Berlin reisen lassen.
Lezteres kostet an transport dann aufs
neue hin und her Louis d’or: Goldmünze (Frankreich)70–80 Louis
d’or, ich kann dazu eigentlich nicht über das herbarium desMusée disponieren. Es ist
selbst hart
Bonpland
die Manuscripte zu nehmen, er kann auch gewiß manche mündliche Aufklärung geben.
Dazu ist Deine Anwesenheit nöthig, um
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Turpin über die Zeichnungen zu instruiren.
Was Du theurer guter Willdenow, auch bestimmst, werde ich in stiller Rührung gut heißen. Schreibe mir bald
einige freundliche Worte. Ich umarme den Kleinen.
Meine schönsten Grüße Deiner theuren
Gattin.
Rue de la vieille Estrapade numéro 11.
ce 17 Mai 1810.
Willst Du aber Paris recht genießen, so denke aber ja nicht auf Umwege nach Holland, Montpellier oder Turin. Das erlaubt Dir Deine Zeit nicht und jede Woche die Du nicht in den hiesigen Sammlungen lebst, wird Dich gereuen. Mein Arm ist immer lahm und sehr krank.
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